Folge 3.03 – Oxidation: der größte Feind des Bieres

   

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Folge 3.03 – Oxidation: der größte Feind des Bieres Brautag

  1. Kurzbeschreibung der Folge   
    1. Was bedeutet Oxidation im Bier eigentlich?
    2. Die drei zentralen Oxidationspfade im Bier
    3. Warum Metalle eine Schlüsselrolle spielen
    4. Heißseite vs. Kaltseite
    5. Kann sich Oxidation wieder „zurückbilden“?
  2. Verkostete Biere in dieser Folge
  3. Key-Takeaways
  4. Quellen 
    1. 1. Dissertation
    2. 2. Monografien & Lehrbücher
    3. 3. Grundlagen Oxidation & Bieralterung
    4. 4. Eisen & Kupfer als Oxidationskatalysatoren
    5. 5. Metalle aus Malz & Rohstoffen
    6. 6. Antioxidantien & technische Gegenmaßnahmen
    7. 7. Historische & Online-Quellen (Alterung, Stock Ale, Mumme)

Kurzbeschreibung der Folge   

Oxidation ist eines der häufigsten und zugleich am wenigsten verstandenen Probleme beim Bierbrauen. Gerade im Hobby- und Craftbereich sorgt Sauerstoff immer wieder dafür, dass eigentlich gute Biere frühzeitig altern, an Frische verlieren oder deutliche Fehlaromen entwickeln. In der 100. Folge des Brautag Podcasts widmen wir uns diesem Thema besonders ausführlich – gemeinsam mit unserem Gast Daniel Stenglein.

Was bedeutet Oxidation im Bier eigentlich?

Oxidation beschreibt chemische Reaktionen, bei denen Sauerstoff direkt oder indirekt mit Bierbestandteilen reagiert. Dabei entstehen neue Verbindungen, die sensorisch als Pappe, Karton, Honig, Sherry, etc. wahrgenommen werden. Wichtig: Nicht jede Alterung ist oxidativ, aber Oxidation ist der wichtigste Treiber für Geschmacksinstabilität.

Ein geschmacksstabiles Bier behält Farbe, Aroma, Mundgefühl und Frische möglichst lange bei. Oxidation wirkt diesem Ziel auf mehreren Ebenen entgegen – und beginnt oft früher, als viele denken.

Die drei zentralen Oxidationspfade im Bier

In der Folge werden drei besonders relevante chemische Mechanismen herausgearbeitet:

1. Lipidoxidation
Ungesättigte Fettsäuren aus dem Malz können oxidieren und dabei unter anderem Trans-2-Nonenal bilden. Dieses Aldehyd ist verantwortlich für den klassischen „Pappkarton-Geschmack“ und bereits im Parts-per-Billion-Bereich wahrnehmbar. Besonders problematisch: Diese Vorläufer entstehen teilweise schon im Heißbereich beim Maischen und Kochen.

2. Oxidation von Hopfenbestandteilen
Hopfen bringt Aroma, aber auch Oxidationspotenzial ins Bier. Vor allem Polyphenole und Hopfenöle reagieren sehr leicht mit Sauerstoff.

3. Oxidation von Aminosäuren (Strecker-Abbau)
Aminosäuren reagieren mit bereits oxidierten Zuckerprodukten zu Aldehyden, die für malzig-süße, brotige, nussige oder kartoffelartige Alterungsaromen verantwortlich sind.

Warum Metalle eine Schlüsselrolle spielen

Eisen und Kupfer wirken im Bier als Katalysatoren für Oxidation. Schon kleinste Mengen beschleunigen oxidative Reaktionen massiv. Diese Metalle stammen vor allem aus dem Malz (über Gerste und Spelzen), können aber auch über Wasser, Hopfen oder Zusätze eingetragen werden. Sie erklären, warum manche Biere deutlich schneller altern als andere – selbst bei vergleichbarem Sauerstoffeintrag.

Heißseite vs. Kaltseite

Während Sauerstoffeintrag im Heißbereich (Hot Side Aeration) Vorläuferstoffe erzeugt, entscheidet sich die sensorische Qualität des Bieres meist im Kaltbereich: bei Kalthopfung, Umfüllen und Abfüllen. Gerade hopfengestopfte Biere reagieren extrem sensibel auf Sauerstoff, da Terpene hochreaktiv sind und sehr schnell zerstört werden.

Kann sich Oxidation wieder „zurückbilden“?

Kurz gesagt: Nein. Oxidation ist irreversibel. Sind die entsprechenden Reaktionsprodukte einmal entstanden, lassen sie sich nicht mehr entfernen. Der einzige wirksame Ansatz lautet daher: vermeiden statt reparieren. Sauerstoff minimieren, Reaktionsketten verlangsamen (z. B. durch kühle Lagerung) und antioxidative Puffer nutzen.

Verkostete Biere in dieser Folge

Key-Takeaways

  • Oxidation ist der Hauptgrund für Geschmacksverlust im Bier
  • Trans-2-Nonenal verursacht das typische Papp-/Karton-Aroma
  • Hopfenöle im Allgemeinen und hier besonders Terpene sind extrem oxidationsempfindlich
  • Nicht jede Bieralterung ist oxidativ – aber Oxidation dominiert
  • Eisen und Kupfer wirken als starke Oxidationskatalysatoren
  • Viele Alterungsaromen sind schon im Heißbereich vorprogrammiert
  • Kalthopfung und Abfüllen sind die kritischsten Prozessschritte
  • Oxidation ist nicht reversibel – Vorbeugung ist entscheidend
  • Kalte Lagerung kann die Alterung um ein Vielfaches verlangsamen

Quellen 

1. Dissertation

[1] Wurzbacher, M. (2011). Untersuchungen zum Einfluss antioxidativer Substanzen auf die Geschmacksstabilität des Bieres. Dissertation, Technische Universität München, Weihenstephan.
https://mediatum.ub.tum.de/1071421

2. Monografien & Lehrbücher

[2] Kunze, W. (2014). Technology Brewing & Malting (6. Aufl.). VLB Berlin.
https://www.vlb-berlin.org/en/technology-brewing-and-malting/

[3] Briggs, D. E., Boulton, C. A., Brookes, P. A., & Stevens, R. (2004). Brewing: Science and Practice. Woodhead Publishing.
https://www.sciencedirect.com/book/9781855734906/brewing

[4] Bamforth, C. W. (2000). Beer: Tap into the Art and Science of Brewing. Oxford University Press.
https://global.oup.com/academic/product/beer-9780195134790

[5] Bamforth, C. W. (2017). Beer: A Quality Perspective. Academic Press.
https://www.sciencedirect.com/book/9780128115720/beer

3. Grundlagen Oxidation & Bieralterung

[6] Vanderhaegen, B., Neven, H., Verachtert, H., & Derdelinckx, G. (2006). The chemistry of beer aging – a critical review. Food Chemistry, 95(3), 357–381.
https://talcottlab.tamu.edu/wp-content/uploads/sites/108/2020/03/Review-Beer-Ageing.pdf

[7] Dufour, J.-P., Leus, M., Baxter, A. J., & Hayward, A. H. (1999). Flavor stability of beer. Monatsschrift für Brauwissenschaft.

4. Eisen & Kupfer als Oxidationskatalysatoren

[8] Bamforth, C. W. (2000). Beer flavor instability. In Beer: Tap into the Art and Science of Brewing.
https://doi.org/10.1093/acprof:oso/9780195134790.001.0001

[9] Mertens, T., Kunz, T., & Gibson, B. (2022). Transition metals in brewing and their role in wort and beer oxidative stability. Journal of the Institute of Brewing.
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/jib.699

5. Metalle aus Malz & Rohstoffen

[10] Pohl, P. (2008). Determination of metal content in beer and raw materials. Food Chemistry, 111(2), 501–507.
https://doi.org/10.1016/j.foodchem.2008.04.031

6. Antioxidantien & technische Gegenmaßnahmen

[11] McMurrough, I., Madigan, D., Kelly, R. J., & Smyth, M. R. (1999). Stabilization of beer by removal of iron and copper. Journal of the Institute of Brewing.
https://doi.org/10.1002/j.2050-0416.1999.tb00014.x

[12] Bamforth, C. W., & Kanauchi, M. (2004). Technologies for reducing beer oxidation. MBAA Technical Quarterly.
https://www.mbaa.com/publications/tq/Documents/TQ-41-4-156.pdf

7. Historische & Online-Quellen (Alterung, Stock Ale, Mumme)

[13] BeerPulse Magazine (2015). Ballantine Burton Ale Revived.
https://beerpulse.com/2015/11/ballantine-burton-ale-revived-by-pabst-brewing-co-ahead-of-holiday-season-4050/

[14] Beer Street Journal (2015). Ballantine Burton Ale Emerges from Brewing History.
https://beerstreetjournal.com/ballantine-burton-ale/

[15] Alworth, J. (2018). Ballantine Burton Makes a Return. Beervana.
https://www.beervanablog.com/beervana/2018/1/2/ballantine-burton-makes-a-return

[16] Zythophile (2011). The Lost Art of Extreme-Aged Cask Ale.
https://zythophile.co.uk/2011/09/23/the-lost-art-of-extreme-aged-cask-ale/

[17] Zythophile (2012). An 1875 Arctic Ale Tasting.
https://zythophile.co.uk/2012/06/10/an-1875-arctic-ale-tasting/

[18] Barclay Perkins Blog. The Death of Keeping Porter.
https://barclayperkins.blogspot.com/2010/12/death-of-keeping-porter.html

[19] Barclay Perkins Blog. Stock Ale im frühen 19. Jahrhundert.
https://barclayperkins.blogspot.com/2011/04/stock-ale-in-early-19th-century.html

[20] Zythophile (2018). Mumma Mixed a Beer Today.
https://zythophile.co.uk/2018/12/23/mumma-mixed-a-beer-today/

[21] Nied Brew (NL). Mumme & englischer Einfluss.
https://patto1ro.home.xs4all.nl/niedbrew.htm

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