Folge 1.10 – Der Ursprung der Lagerhefe mit Mathias Hutzler

   

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Sie sind klein, sie sind Sporenbildner, sie sind Hefe und sie werden unsere Welt verändern. Nur ein Bruchteil der weltweit vorkommenden Hefearten wurden bisher entdeckt. Diejenigen, die es noch gibt, könnten die Gesundheitsversorgung, die grüne Energie und das Bier revolutionieren.   

Dies war ein Zitat von der kanadischen Journalistin Sarah Musgrave. [1]. 

  1. Begrüßung und Vorstellung heutiges Thema 
  2. Geschichte der Brauhefen 
  3. Brauhefe Arten 
  4. Lagerhefe: Eigenschaften und Genetische Gruppen 
  5. Hefejagd 
  6. Ursprung der Hybridisierung 
  7. Moderne Lagerhefen: W34/70 
  8. Ausblick auf die Diversität der Lagerhefen 
  9. Das Bier des Monats. 
  10. Quellen: 

Begrüßung und Vorstellung heutiges Thema 

Flo Und damit hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge Brautag, eurem Podcast über Bier und Braukunst. Wir beschäftigen uns heute mit einem weiteren Rohstoff, und zwar dem ältesten Haustier des Menschen, der Hefe. Und genau genommen werden wir uns hierbei tiefer in die Geschichte, Herkunft sowie Zukunft der untergärigen Hefe eintauchen. Und bei so einem Thema sind wir mal wieder nicht alleine am Start, sondern wir haben uns einen absoluten Experten auf diesem Themengebiet eingeladen. Aber dazu gleich mehr. Zuerst stelle ich euch natürlich meinen Lieblings-Podcast-Buddy vor, der seines Zeichens ausgebildeter Hefeflüsterer für litauische Farmhaushefen ist, den Paul. Wie geht’s, Paul? Wie steht’s?  

Paul Hi, Flo. Es kommt wieder unerwartet, aber freut mich. Ich weiß auch, was du anspielst. Ich freue mich riesig auf die Folge heute mit einem wirklich besonderen Gast. Du hast es schon gesagt, aber dazu kommen wir ja gleich. Flo, bei dir weiß ich ja auch, du experimentierst ja auch sehr gerne mit Hefe.  

Flo Absolut. Gefangen im Garten oder zumindest Fangversuche unternommen, gerade in den Anfangsjahren als Hobbybrauer, ist nicht immer geglückt. Mit meinem Mini-Kühlschiff war ich dann eher erfolgreicher. Das ist auch ein Teil der Hefekultur, links in dem 100 Liter Rotwein-Fass zu meiner Linken. Von daher, ja, ich glaube, ich habe da ein bisschen Erfahrung schon sammeln können.  

Paul Sehr gut. Du hast es bei mir angesprochen. Ich habe eine Zeit lang wirklich mit vielen Kveikes rumprobiert, auch mit denen, die so lagerähnliche Biere erzeugen sollen, mit den Clean-Kveikes, die mal kurz so richtig aufkamen. Ansonsten kommen bei mir natürlich gerne belgische Hefen zum Einsatz. Aber überwiegend sind es tatsächlich, wenn ich mal so durch meine Brauprotokolle gucke, die klassischen obergärigen und untergärigen, schöne Lagerbiere, aber natürlich auch leckere Ale-Hefen, weil ich einfach auch ein kleiner Hop-Head bin, IPAs mag. Und als Letztes haben wir natürlich auch mit einer thiolisierten Hefe schon mal rumexperimentiert, wir beide. Also, ja, da kommen schon ganz, ganz verschiedene Sachen zum Einsatz. Aber ich denke, Flo, genug zu uns, genug zu mir. Wird Zeit, dass wir unseren heutigen Gast dazu holen und vorstellen, oder?  

Flo Absolut, ja. Da spannen wir die Zuhörer gar nicht weiter auf die Folter und begrüßen herzlich den Mathias Hutzler, stellvertretender Institutsleiter und Abteilungsleiter Mikrobiologie und Hefezentrum am Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität der Technischen Universität München. 2022 hatte er an der TU Berlin zum Thema Hefe-Biodiversität traditioneller und moderner hopfenhaltiger Bierfermentation und deren gezielte Erweiterung über entwickelnde Hefejagdmethoden habilitiert und wurde 2023 zum Privatdozenten bestellt. Er ist einer, das habt ihr vielleicht schon mal gehört, der sogenannten Hefejäger, die in der Natur und in alten Braustätten nach neuen und alten Hefestämmen suchen, die für die Bierherstellung interessant sein könnten. Also auch anders gesprochen, er ist nicht ein reiner Wissenschaftler, sondern auch in gewisser Weise ein Abenteurer, der die Geheimnisse der Hefe erforscht. Und deshalb freuen wir uns sehr, dass er sich die Zeit genommen hat und in den nächsten Minuten, Stunde, mal sehen, wo wir rauskommen mal wieder, über seine spannende Arbeit, Erfahrungen und auch am Ende des Tages Leidenschaft für Bier und insbesondere Hefe berichten wird. Und ja, an der Stelle noch mal herzlich willkommen Matthias, wir freuen uns sehr, dass du da bist. Es wäre nett, wenn du noch was zu ergänzen hast, wenn du dich noch mal kurz persönlich vorstellst. 

Mathias Ja, servus Flo, servus Paul. Erstmal bin ich sehr glücklich über eure Einleitung. Erstens muss ich mir nicht selber vorstellen und so meinen Werdegang erklären, das muss man auf den anderen Podcasts und muss sich dann wohl überlegen, was man dann auch bringt, was denn dazu passt. Also vielen Dank für das, dass ihr das schon vorweggenommen habt. Andererseits vielen Dank auch, dass ihr schon in ein paar Richtungen gegangen seid, aus eurer eigenen Brau- und Fermentationserfahrung. Das ist natürlich toll, wenn man dann hier auch Experten hat, die schon damit gearbeitet haben und vielleicht auch ganz bestimmte Sachen aus dem Bereich Hefe wissen wollen. Was ich jetzt ganz interessant finde, du hast vorher angeschnitten, dass ich Teil dieser Hefejäger bin oder diese Hefejagd auch ins Leben gerufen habe 2016, also vor allem in den alten Bierkellern. Ich muss nur erwähnen, das ist nur ein kleiner Teil meiner Arbeit. Eigentlich sind wir hauptsächlich auch in Brauereien unterwegs und versuchen dann, Brauereien zu helfen bei technologischen und mikrobiologischen und technischen Problemen und begleiten die mit der Laborarbeit. Also das ist eigentlich 95 Prozent meiner Arbeit, ist richtig schauen, wo gibt es Probleme im Prozess, Analysen machen und so weiter. Also nicht, dass das auch so ein falsches Bild vermittelt. Also diese Sache mit der Hefejagd, das machen wir auch oft in unserer Freizeit, weil wir auch Enthusiasten sind, so wie ihr. Das wollte ich nur mal so am Rande noch mit erwähnen. 

Paul Super und jetzt würden wir eigentlich uns wahrscheinlich unter normalen Voraussetzungen ein Bierchen aufmachen, aber ganz transparent gesprochen, wir haben es jetzt mittags um 12 und ich glaube, es ist eher Kaffeezeit oder sowas oder Wasser. Also ich mache mir auf jeden Fall keins auf. Ich will euch aber natürlich nicht im Wege stehen, wenn ihr darauf Lust habt. Ansonsten würde ich sagen, Mathias, schön, dass du unserer Einladung gefolgt bist. Auch mich freut es auf jeden Fall sehr, dass du dabei bist und dann würde ich sagen, steigen wir auch einfach ein, oder?  

Mathias Sehr gerne. Ich bin auch noch beim Kaffee, also noch nicht auf Bier. Ich habe heute schon Bier verkostet, um 11, aber jetzt sind wir vollkommen fokussiert auf die Hefe und freue mich schon auf eure Fragen.  

Geschichte der Brauhefen 

Paul Perfekt, dann steigen wir ein. Und natürlich wollen wir die Zeit nutzen, um den Matthias auch richtig mit Fragen zu löchern und wie man es aus unseren Hauptfolgen auch kennt und es ist schon der Gang und Gebe, drehen wir natürlich erst mal das Zeitrad ein bisschen zurück, gucken uns erst mal ein bisschen die Geschichte an. Um unser, wie Flo es genannt hat, Lieblingshaustier in der Brauerei besser verstehen zu können, würden wir gerne einen Blick auf die Geschichte der Brauhefen werfen. Und in unserem Podcast, in der einen oder anderen Folge, sind wir ja schon bereits auf die Ursprünge des Brauens in der Raqefet-Höhle / Göbekli-Tepe eingegangen, so vor 11.000 bis 13.000 Jahren. Matthias, wie hat sich die Art der Hefeverwendung von den Anfängen der reinen Spontangärung weiterentwickelt und wissen wir, wann die Domestizierung der gärfähigen Hefen begonnen hat?  

Mathias Also wann die genau begonnen hat, das wissen wir leider nicht, aber wir vermuten sehr, sehr, sehr früh. Man kann sich das so vorstellen, die Menschen waren immer gute Beobachter und wenn die Prozesse durchgeführt haben und beobachtet haben, haben die natürlich auch sehr viel ausprobiert. Und wenn man sich jetzt vorstellt, man hat jetzt ein gärendes Bier oder eine gärende Bierwürze, dann fällt die Hefe eben unten aus, also als Sediment. Oder man hat sie erstmal oben, wenn die Gärung beginnt, nach zwei, drei Tagen oben als Schaum. Und so ähnlich war das auch beim Wein oder bei vergorenen Früchten. Also man hat was gehabt, dass man auch beobachten konnte. Schaum oder Sediment oder dann eine trübe Flüssigkeit. Und dann haben die Menschen auch probiert, diese Sachen wieder zu ernten und wieder ein neues Substrat, also wieder eine neue Ursprungsfrucht, Würze, Most und so weiter zu geben. Je nachdem, in welchem Feld die sich bewegt haben. Und dann hatten die halt ein Gefühl dafür, was gärt besser. Also nehme ich jetzt besser den Schaum, nehme ich besser einfach ein frisches, gärendes Getränk oder nehme ich den Bodensatz. Und so haben sich dann auch diese Wörter für Hefe entwickelt. Weil Hefe kommt jetzt im Deutschen abgeleitet von dem Wort Heben. Warum? Weil die Hefe jetzt gerade zum Beispiel bei obergärigen Bieren sehr schön nach oben kommt und man kann die abernten, man kann eine neue Würze anstellen. Und so ähnlich ist das auch in anderen Sprachen, wie zum Beispiel Levure im Französischen. Das heißt auch nach oben heben, nach steigen, heben und so weiter. Oder im Griechischen heißt es Zistos. Das ist so ein Wort für Schaum auch. Also man sieht die Leute oder die auch in den verschiedenen Kulturen, die haben beobachtet und wussten, man nimmt es. Und wenn man das dann immer wieder wiederholt, das ist dann ein sogenannter Domestizierungsprozess. Die Leute hatten noch keine Mikrobiologie, wie wir die jetzt haben. Also wo man wirklich im Mikroskop dann diese Hefen auch beobachten kann, wo man dann auch mit bestimmten Methoden einzelne selektionieren kann und Monokulturen anlegen kann. Das kam erst ab 1883 mit Emil Christian Hansen. Aber davor war auch schon eine Domestizierung im Gange. Man weiß aber nicht genau wann. Also wir vermuten auch so in der Jungsteinzeit, als quasi diese ganze grüne Revolution kam, also der Ackerbau begonnen hatte, man immer Getreide zur Verfügung hatte oder auch Früchte konsequent erntete und anbaute, dass hier auch diese Domestizierung der Hefe begann. Es kann aber natürlich auch schon früher begonnen haben. Die Frage ist auch, welche Gefäße wurden verwendet. Die Domestizierungsprozesse, da braucht man auch Gefäße oder Beutel. Und da sind die Archäologen auch sehr aktiv. Da hat sich auch sehr viel getan und da sind wir auch wirklich gespannt, was da diese Archäologie und die Kombination, Analyse mit alter DNA, was die noch bringt. Zum Beispiel hat ein Kollege vom EURAG, Frank Meixner aus Bozen, Hallstatttunnel haben die untersucht und konnten Bierhefe hier in alten Stuhlproben nachweisen, die sehr nah verband sind mit der Bierhefe, also diese DNA. Und da wird noch einiges auf uns zukommen, aber wahrscheinlich schon Göbekli Tepe diese Zeit und vielleicht auch noch früher hat der Mensch schon domestiziert.  

Flo Das ist super spannend und das haben wir ja im Podcast auch schon öfters gesagt, dass wir da unsere Vorfahren hier und da ein bisschen unterschätzen. Von daher, ich glaube, das schlägt genau in die Kerbe, dass gerade der Domestizierungsprozess der gärfähigen Hefen schon nach dem heutigen bekannten Ursprung des Brauwesens wahrscheinlich schon praktiziert wurde. Super spannend und bringt mich gleich zu dem Thema, was ich immer wieder witzig finde, wenn es um das Thema Hefe geht und Ursprung und seit wann man bewusst Hefe verwendet, wird ja immer auch gerne in Bierkreisen, ich glaube auch im Hobbybrauer-Bereich, wird ja gerne das sogenannte Reinheitsgebot von 1516 aufgeführt, dass da ja die Hefe noch nicht in der Rezeptur erwähnt war. Das sind wir in unserer vierten Folge mit Jan Brücklmeier im Detail darauf eingegangen, warum das so ist, weil eben die Hefe ja Teil des Prozesses war und nicht als Zutat, die von außen gegolten hat, die zur Brauerei zugeführt werden muss. Und die ganzen alten Brauordnungen, da sind wir schon darauf eingegangen. Aber Matthias, darauf aufbauend, gibt es oder wie alt sind die Belege, dass mit diesen Begriffen Hefe, die du herangeführt hast, aus den unterschiedlichen Sprachkulturen, weiß man da konkret, wann da das erste Mal schriftlich sowas dokumentiert wurde?  

Mathias Also was ich sicher weiß, da gab es den sogenannten Zosimus [2], das ist aus der griechischen Kultur und da wurde auch quasi empfohlen, die Hefe war ja nun nicht nur beim Brauen und bei alkoholischen Fermentationen wichtig und von Bedeutung, sondern auch bei der Teigherstellung. Und hier, das war dann vor Christi Geburt auf jeden Fall, gab es Rezepte, wie man quasi Sauerteig vermeiden kann, dass man zum Brotteig eben Hopfen zugibt und dass dann diese Hefe, die hatte eben dann dieses Wort so wie vor Zestos, also man hatte nicht ein konkretes  Wort für Hefe, aber umschreibende Worte und später hat die Hefe ja dann diese eigenen Worte auch bekommen, gehe ich später gleich noch mal darauf ein, aber da weiß ich, dass hier Hefe in dem übertragenen Sinn, dass es hingegen eine Sache oder was Lebendes ist oder eine Zutat, schon erwähnt wurde. Wie weit es genau zurückgeht, ich denke mal, dass die Ägypter, die haben ja auch sehr viel geschrieben, da wäre es interessant, mit meinem Kollegen Martin Zarnkow [3] zu sprechen, der ist auch noch tiefer drin in der Historie, die Ägypter auch schon Worte, Schriftzeichen für diese Aktivität jetzt beim Gären oder beim Teiggehen hatten, weil das ist für mich eigentlich dann das Wort für Hefe und übertragen diese Gäraktivität. Da müsste man noch mal mit denjenigen Experten sprechen, der jeweiligen Kultur und auch den Sprachexperten, da passiert auch sehr viel. Also mein Kollege ist sehr aktiv, auch mit Kollegen von der LMU, dass sogar alte Schriften noch mal neu übersetzt werden, auch mesopotamische Schriften, aber da will ich mich jetzt nicht festlegen, weil da wäre mein Kollege tatsächlich der bessere Ansprechpartner. Vielleicht kann man das irgendeinem späteren Podcast noch mal nachholen. Aber Griechen auf jeden Fall, das ist ja auch eine sehr alte Kultur, da gab es schon diese Wörter für die Hefe.  

Flo Da kommen wir gerne darauf zurück, das können wir bestimmt in Zukunft noch mal an der einen oder anderen Stelle in unserem Podcast vertiefen, aber ich glaube, wir können festhalten, dass auch hier das alles schon länger dokumentiert ist, als der normale Hobbybrauer oder Biertrinker vermuten kann.  

Mathias Also eins ist ganz klar, im Mittelalter, als auch die untergärige Biergärung geboren wurde, um ca. 1400, da gab es schon diese festen Begriffe für das Zeug Floss und Fetsum. Also die Hefe, die nach oben und unten steigt. Also da gab es schon definierte Wörter dafür, die dann auch verwendet wurden und schon auch in die Rezepte einflossen, was man nehmen soll. Wobei man halt nicht wusste, dass es ein Mikroorganismus ist, sondern man musste halt, es ist irgendein aktives Zeug, wie die Brauer auch jetzt noch sagen, dieses Zeug geben.  

Flo Vor Hansens Revolution 1883, du hattest es vorhin schon mal erwähnt mit der ganzen Rheinzuchtthematik, wurden ja vermutlich überall irgendeine Art von Mischkulturen verwendet. Du hattest gerade auch gesagt, dass untergärig zu brauen hat vermutlich irgendwann im 14. Jahrhundert begonnen. Das hat vielleicht zwei Fragen aufbauend. Wie muss man sich das vorstellen, so eine untergärige Brauweise? Zu den Anfängen hatten die untergärigen Hefen schon von den Eigenschaften direkt was mit zu tun, wie nach dem sogenannten Hybridisierungsevent, was zu unserer modernen untergärigen Hybridhefe geführt hat, die wir heute einsetzen. Und war das immer eine Art Koexistenz aus untergärigen, obergärigen Hefen und vielleicht auch, keine Ahnung, Brettanomyces, die irgendwie in den Mischkulturen mit drin gesteckt haben? Also, weiß man da überhaupt, was drüber kann man das rekonstruieren?  

Mathias Also, was man darüber weiß, ist quasi, also die festen Beweise sind die heutigen existierenden untergärigen Hefen und andere hybride Rheinkulturen, die wahrscheinlich aus dieser Zeit stammen, die quasi gerettet wurden, auch in diesen Stammsammlungen, in Hefestammsammlungen, die so um die Jahrhundertwende isoliert wurden und man quasi dann genetisch rückkonstruieren kann, wann sind die wahrscheinlich entstanden? Sind es alte Linien? Deswegen ist es auch so interessant, alte Proben zu bekommen, weil wenn man wirklich alte Proben, sei es jetzt DNA oder lebende Hefe, bekommt, kann man natürlich wieder genetische Vergleiche machen. Um auf die Frage nochmal zurückzukommen, ja, wir gehen davon aus, dass es ganz spezielle Mischungen waren und es waren definitiv Mischungen und man konnte aus einer obergärigen Hefe eine untergärige machen, aber aus einer untergärigen Hefe keine obergärige, wenn die schon sehr lang untergärig war. Also, das haben wir aus diesen Dokumenten, die überliefert wurden und aus den Bierrezepten rekonstruiert. Was bedeutet das jetzt? Also, wenn man eine Hefe sehr lang kalt führt, untergärig heißt eigentlich hauptsächlich in einer kalten Umgebung, passt sich diese Mischung an diese kalten Umgebungstemperaturen an und in diesen kalten Umgebungstemperaturen können dann nur cryotolerante, also kälteliebende Hefen über lange Zeit wachsen und die anderen, die, sagen wir mal, wärmeliebenden, die werden dann ausgedünnt und wenn man das sehr lange macht, gehen die irgendwann komplett aus dieser Kultur raus. Und das war eben dieser besondere Prozess, dass dann über einen längeren Zeitraum hauptsächlich nur noch untergärige, also kälteliebende Hefen drin waren in diesen Kulturen. Und was war so besonders an denen? Erstens, dass sie bei kalten Temperaturen gären konnten. Nicht viele Mikroben, wie zum Beispiel Milchsäurebakterien, können bei diesen niedrigen Temperaturen meistens nicht wachsen. Das heißt, das Bier wird nicht sauer. Andere obergärige Kulturen sind oft noch geschmacksintensiver oder auch sogenannte Nichtsaccharomyces-Hefen, die häufig auch im Wein vorkommen, bilden sehr starke Aromen aus. Also es waren zwei hauptsächliche Effekte. Das Bier wurde neutraler und es war länger haltbar. Das war eigentlich der Haupteffekt. Und noch ein sehr wichtiger dritter Effekt. Fast keine Mikroben oder keine Mikroben mehr, die bei 37 Grad Körpertemperatur wachsen können, also bei unserer, sagen wir mal, normalen Arbeitstemperatur des menschlichen Körpers, waren in diesem Bier vorhanden. Das heißt, es gab auch fast keinen Einfluss mehr auf unsere Darmflora im negativen Sinne. Und auch krankheitserregende Keime, die müssen ja bei 37 Grad wachsen können, waren nicht mehr in diesem Bier vorhanden. Und deswegen war dieses Bier so erfolgreich. Und ja, über die Zeit, wenn immer wieder die Hefe genommen wurde und kalt geführt wurde, hat sich immer mehr angepasst und war quasi viel besser bekömmlich auch für den menschlichen Körper. Und ein guter Nebeneffekt, es hat auch dieses besser trinkbare Bier dann hergestellt. Also diese Kultur hat das hergestellt. Und dann durch diesen langen Lagerprozess des Lagerbieres, also es war ja über diesen Lagerprozess, es hat langsam vor sich noch hingegoren und noch gearbeitet, wenig anfällig für Kontaminationen und es hat sich auch Trub abgesetzt. Also es gab damals noch keine Filtration, das muss man auch bedenken. Weniger Trubstoffe, das Bier war weniger Eiweiß, Hopfen, Agglomerate, das Bier war viel bekömmlicher. Und das hat diese spezielle Hefe hauptsächlich verursacht. Es war aber wenig vergleichbar mit heutigen Lagerbieren. Erstens waren die Biere sehr viel dünner. Ich sage mal vom Volumenprozent Alkohol 2 bis 3,5 Prozent Alkohol. Die Hefen waren auch nicht so stark vergährend. Also dieser Hybrid, der wurde erst später gebildet, so um 1600 herum. Die ersten Biere waren quasi nicht so stark und die Biere waren dunkel, aber gut abgelagert. Und wir haben solche Biere auch nachgebraut. Die sind sehr durchstillend, aber ein bisschen aromatischer. Aber passen auch sehr gut, wenn man denkt, man muss sehr hart arbeiten. Und einerseits gibt es Bier Kraft und Energie und auch ein bisschen Alkohol. Wenn man sich vorstellt, man hat sehr schwere Arbeit zu verrichten. Das hilft auch ein bisschen, Schmerz und anstrengende Arbeit zu verkraften. Andererseits auch erfrischend und durchstillend. Also unsere modernen Lagerbiere sind sehr moderne Erscheinungen und sind eigentlich sehr stark im Vergleich zu diesen alten Lagerbieren, die man so 1400 bis 1600, bis dann die Hybride kamen, getrunken hat. 

Paul Wahnsinn. Superspannend. Wenn wir jetzt im Rahmen der Rheinzucht mal noch einen kleinen Umweg gehen über die Kveikbierwelt, dann kennen wir ja von dort diese Kveikringe oder ähnliche Utensilien, um die Hefe, die verwendet wurde, zu trocknen und für den nächsten Sud aufzuheben. Laut Lars Marius Garshol waren ja hierfür zum Beispiel die geringen Gerstenvorräte in Norwegen verantwortlich. Also man konnte dann eben nur zwei, dreimal im Jahr brauen. Und die Hefe musste irgendwie für den nächsten Sud überleben. In getrockneter Form dann in dem Fall. Die genetischen Zusammenhänge wiederum, da gibt es ja ein paar Paper, Ursprünge, Evolution, Domestizierung und so weiter, haben gezeigt, dass die europäischen Hefen inklusive der Kveiks eng miteinander verwandt sind. Und die Kveiks haben durch ihren Domestizierungsprozess vermutlich nie diese Eigenschaft verloren, dass sie getrocknet werden können. Gab es vor der Reinzucht, bevor man also das moderne Brauwesen eingeläutet hat, bei kontinentaleuropäischen Mischkulturen auch was ähnliches? Gab es da Mischkulturen, die trocknungsfähig waren, wie ihre wilden Vorfahren quasi?  

Mathias Ja, absolut. Also es gab sogar auch den Beruf des Hefners. Das war so ein spezialisierter Beruf, der dann den Brauern und den Bäckern geholfen hat, eben genau solche Braupausen oder Backpausen zu überwinden. Oder dann auch noch diese Sicherheitskopie 

dieser Hefe aufzubewahren. Und da gab es ganz ähnliche Strategien, jetzt wie bei den Kveikhefen, auch Holzringe, Holzplatten. Stroh war zum Beispiel sehr beliebt. Oder in unserer Georgien-Expedition konnten wir das auch noch verfolgen. Da hat man auch zum Beispiel große Blätter genommen und die Hefe darauf ausgestrichen, sachte und dann auch an Luft getrocknet. Um auf diese Robustheit kurz einzugehen. Es ist so, dass einige der domestizierten Hefestämme diesen Trocknungsprozess nicht mehr so gut verkraften, wie zum Beispiel die untergärige Hefe oder einzelne untergärige Hefestämme. An sich, je wilder eine Hefe ist, desto besser verkraftet sie diesen Prozess. Und einige belgische Bierhefen oder auch Ale-Hefen oder auch Weizenbierhefen, die sind noch wilder und bei denen kann man das auch noch sehr gut machen. Oft hängt es auch mit dieser Sporenbildungsmöglichkeit der Hefen noch zusammen. Es ist so, wenn eine Hefe in Stress gerät und sie hat kein Substrat mehr zur Verfügung, also sie hat nichts mehr zu beißen, dann geht die in so einen Schlafzustand und wenn sie dann merkt, es ist noch mehr Stress, sie könnte vielleicht sterben, dann bildet die noch mal so Ascosporen, mit denen sie sich auch sexuell vermehren kann. Und wenn sie diese Ascosporen, bildet, die sind sehr robust und können lange halten. Und wenn die dann wieder in Flüssigkeit geraten, um was zu beißen bekommen, dann können die auch wieder auskeimen. Und so ähnlich ist dieser Trocknungsprozess. Man setzt die Hefe bewusst auf Diät und bildet dann diese Ascosporen,. Und wenn die Hefe noch wilder ist oder noch nicht ganz verweichlicht, dann funktioniert es noch. Und das ist auch ein spannendes Feld, weil sie welche Bierhefen sind jetzt noch robust und sind noch so ähnlich wie die Kveik-Hefen.  

Flo Ja, ich glaube, das wird ein längerer Podcast. Es ist echt super spannend, da zuzuhören, Matthias.  

Mathias Also, bis ich ein bisschen kürzer mache. 

Flo Nein, nein, nein. So war das nicht gemeint. Ich glaube, das ist für alle Zuhörer super spannend und wir bauen da, glaube ich, für den einen oder anderen gerade viele Brücken. Und bei mir ging auch gerade im Kopf gleich die Maschine an. Und ich habe auch überlegt, so viele Hobbybrauer haben da diese Methode, dass sie im Backofen die Kveiks trocknen. Ich glaube, die wenigsten Hobbybrauer haben mal darüber nachgedacht, das mit, wie du es formuliert hast, mit den etwas wilderen Hefen, das einfach mal auszuprobieren. Kostet ja nichts, das mit einer Erntehefe einfach mal zu machen und zu gucken, ob man die dadurch weiterführen kann. Werde ich auf jeden Fall mal mit irgendeiner Hefe mal probieren, einfach um zu schauen, ob das auch funktioniert.  

Mathias Also, was ich zum Beispiel mache mit Studierenden jetzt auch im Praktikum, das wäre einfach so ein Tupfer. Jetzt mit Corona kennt ja jeder diesen sterilen Tupfer. Die Stäbchen gibt man einfach in die Hefekultur rein. Und dann kann man sich auch so sterile Beutel kaufen. Die nehmen wir zum Beispiel auch bei der Hefejagd her, kosten ein paar Cent. Und dann gibt man einfach einen Tupfer mit einer abgetupften Hefe in so einem Beutel. Und die kann man dann so verschließen, aber es kann noch Luft raus, aber nichts rein. Und dann trocknet das einfach. Und dann hat man quasi so ein steriles Wattestäbchen. Und man kann jederzeit das wieder benutzen zum Beimpfen. Das hält sehr lang. Also ihr habt bei so wilden Hefen, außer man hat schon eine verweichlichte Monokultur erwischt. Das ist auch eine sehr einfache Methode. Luft trocknen.  

Flo Dann würde ich sagen, machen wir weiter auf unserer Hefereise, springen in die zweite Hälfte vom 19. Jahrhundert. In dem Zeitraum hat ja die sogenannte Heferevolution stattgefunden. Und allen voran liest man ja immer über die Dinge, die der Herr Pasteur und der Herr Hansen geleistet haben. Um alle Zuhörer abzuholen, Matthias, könntest du da vielleicht zusammenfassen, was die Herren in dem Zeitraum zum Vorschein gebracht haben oder entwickelt haben und wie das dann nachhaltig insbesondere die untergärige Brauweise beeinflusst hat?  

Mathias Ja, sehr gerne. Also Louis Pasteur war eben der Vorreiter, der erst mal die Aktivität der Mikroorganismen beschrieben hat. Wie kann man Mikroorganismen nutzen, um Getränke, Lebensmittel herzustellen? Also diese kontrollierten Fermentationen. Er hat dann auch die Krankheiten des Bieres zum Beispiel beschrieben. Also warum wird ein Bier sauer? Er hat dann festgestellt, wenn da Milchsäurebakterien drin sind oder früher waren Essigsäurebakterien noch viel häufiger, als die Abfüllprozesse noch nicht so perfekt waren. Und hat das auch beschrieben, welche Bakterien verursachen welche Folgen. Und natürlich nicht nur in diesem Lebensmittelbereich, sondern auch im medizinischen Bereich waren die sehr aktiv. Also auch wenn man an Koch denkt in Berlin. Und der Pasteur hat eben auch die Inaktivierung der Mikroorganismen noch beschrieben. Also wenn man an die Pasteurisation denkt. Also dass man Mikroorganismen mit Hitze töten kann. Und bevor diese Mikroorganismen beschrieben wurden, hat man halt auch gedacht, da gab es andere Vertreter wie Justus von Liebig, dass es enzymatische Prozesse sind. Dass es jetzt keine Lebewesen sind, sondern Enzyme, katalysierte chemische Reaktionen. Und das war das erste der Grundstein, dass man wusste, es sind Mikroben. Und es sind Mikroben, die man auch kultivieren kann, die man züchten kann. Das hat der Pasteur geleistet. Also so diese Grundlage über das Verständnis von Hefen, Milchsäurebakterien, Essigsäurebakterien, Krankheitserregern. Und was hat der Hansen geleistet? Der hat eben die Methode erfunden, mit der man Monokulturen erstellen kann. Also er hat quasi Zellen ausgestrichen, vereinzelt. Und er konnte aus einer Zelle dann eine Kultur, eine sogenannte Reinkultur oder Reinzucht herstellen. Und dann konnte man quasi auch testen, wie verhält sich jetzt diese reine Kultur in Bierwürze. Und dann hatte man nicht mehr diese komplexen Aromen von diesen Mischkulturen, sondern es war eben nur von einem Mikroorganismus. Ich vergleiche es auch gerne mit unserer heutigen Landwirtschaft. Früher war alles gemischt da und es waren die Pflanzen in irgendeinem Ökosystem gebaut. Und in unserer heutigen Landschaft haben wir eben Felder mit Monokulturen oder Wälder, wenn man an unsere Fichtenwälder denkt, mit Monokulturen. Und alles ist eben besser standardisierbar, alles ist besser planbar. Aber es hat natürlich auch seine Nachteile. Man kann nämlich dann auch Robustheit verlieren. Also genetische Vielfalt bedeutet auch Robustheit oder mehr verschiedene Akteure bedeutet Robustheit. Und man muss dann eben so eine Monokultur auch besser pflegen. Genau, was hat das dann für eine Konsequenz für die Untergärung? 1883 wurde das eben dann das erste Mal auch mit den untergärigen Hefen durchgeführt, diese Reinzucht. Und man hat gemerkt, oh, diese Biere, die schmecken besonders, die schmecken besonders neutral. Man kann den Prozess sehr gut steuern. Da gab es dann auch Gegenakteure, das waren die Berliner Wissenschaftler, Dellbrück und Lindner. Die haben eher gesagt, erhaltet das natürliche System. Man kann schon eine Hefe hochziehen, aber die muss man in dieses natürliche System impfen. Und dann kriegt man auch robuste, gut schmeckende Biere, aber man verliert nicht die Vielfalt. Gewonnen haben dann Jakobsen, also der Gründer der Carlsberg Brauerei mit seinem Wissenschaftler Emil Christian Hansen. Und die Monokultur der untergärigen Brauweise wurde quasi im industriellen Maßstab verbreitet und die großen Brauereien stellten alle Lagerbiere nach diesem Schema her. Man soll auch noch dazu sagen, dass diese Hefe aus München stammte und eigentlich eine Geschichte über Freundschaft ist, weil da gab es einen Münchner Hefenwissenschaftler, den Aubry und den Besitzer der Spatenbrauerei, den Sedlmayr. Und die waren sehr gut befreundet mit Hansen und Jakobsen. Die haben quasi die Münchner untergärigen Kulturen nach Kopenhagen gebracht. Da ist auch diese Kutschfahrt und wie sie die Hefe gekühlt haben, sehr gut beschrieben in der Literatur. Und Hansen hat eben dann diese Reinzucht erstellt. Die haben dann das Carlsbergbier auf diese Brauweise gemacht und später haben sie quasi ihren Freunden in München wieder diese reine Kultur zurückgegeben und sie könnten dann auch dieses Reinzuchtbier untergärig auch in München herstellen. Und das war dann auch die Erfolgsgeschichte der Spatenbrauerei und diese Dampfbierbrauerei mit Kühlung, diese industrielle Brauerei nach Münchener Vorbild, die dann auch den Siegeszug in die Welt genommen hat.  

Brauhefe Arten 

Paul Ja Matthias, super spannend und ich würde sagen, jetzt gehen wir mal ein bisschen weg von der Geschichte hin zu den Hefearten, zu den Brauhefearten. Wir wissen ja, dass die Hefe wirklich eine Vielfalt der Aromen beeinflusst. Bis zu 70 Prozent liest man. Also nicht umsonst sagt man ja, der Brauer macht die Würze, die Hefe macht das Bier. Also man sieht, welches Potenzial die Hefe mitbringt und du hast durch deine Forschung, durch deine Hefejagd, hast du dir zum Ziel gesetzt, die Biodiversität der eingesetzten Brauhefen zu erhöhen. Und wenn wir jetzt mal einen Blick über den Tellerrand wagen oder einen Blick über den Tellerrand der Bierwelt so rum, dann ist die Saccharomyces cerevisiae, obergärige Hefe, die wichtigste Hefeart für viele Getränke und Lebensmittel, also spielt da einfach eine Hauptrolle. Und in der Bierwelt dominiert diese Hefe ja auch. Das sieht man ja schon daran an der hohen Anzahl der Biestile, die mit ihr gebraut werden. In der Fachwelt ist man lange davon ausgegangen, dass diese Hefearten selten in der Natur zu finden sind und daher nur bei menschgemachten Fermentationen eine Rolle spielt. Kannst du uns erklären, warum die Saccharomyces cerevisiae so eine wichtige Hefe in der menschgemachten Fermentation ist und was man vielleicht so in den letzten 20, 30 Jahren noch dazugelernt hat?  

Mathias Also diese Saccharomyces cerevisiae ist erstens so besonders, weil sie eben so ein zuckerliebender Pilz ist. Die kann besonders gut mit Zucker umgehen und hat auch gewisse Strategien, auch in der Natur, dass sie eben hier gut überleben kann, wenn sie im zuckerhaltigen Substrat vorkommt. Und sie produziert dann quasi Alkohol und einen niedrigen pH-Wert aus dem Zucker, auch noch ein bisschen Stickstoffquellen, zum Beispiel Aminosäuren. Und dann wächst die und verdrängt andere, weil andere eben mit Alkohol nicht so gut zurechtkommen. Dann sterben andere Mikroorganismen, die kommen dann auch mit dem niedrigen pH-Wert nicht so gut zusammen. In der Natur sind sie oft auch mit Milchsäurebakterien verknüpft, weil die schon mit dem niedrigen pH-Wert gut zurechtkommen. Und das gibt so gewisse Synergien. Also wenn die Hefe quasi ein intelligentes Wesen wäre, könnte man sagen, es ist sehr schlau von der Hefe, weil sie andere tötet und dann gleichzeitig auf diesem Alkohol wieder wachsen kann und wenn der auch aus ist, wieder Sporen bilden kann. Also sie hat so Lebenskreisläufe in der Natur. Und es ist auch mit ein Grund, warum man die Saccharomyces cerevisiae in der Natur seltener findet, weil sie ist oft von den Zahlen im Vergleich zum anderen Mikroorganismen nicht in so hohen Quantitäten, in so hohen Zahlen vorhanden. Wenn man Hefe jagt, so wie wir, nimmt man Proben, man gibt die quasi ein bestimmtes Medium und dann wachsen die und oft wachsen andere Mikroorganismen aber schneller. Und erst später kommt dann diese Saccharomyces cerevisiae, wenn die dann bei höheren Alkoholgehältern, niedrigeren pH-Wert, die ist recht robust, dann noch weiter Zucker verwerten kann. Also ähnlich wie bei der Weinfermentation, wenn man so spontan Weine macht, dominieren meistens zunächst andere Hefen, die viel Aroma geben und die Saccharomyces cerevisiae aus dem Weingarten oder aus der Winzerei, die kommt dann erst später und übernimmt dann das Kommando und produziert noch mehr Alkohol. Also das ist ein Grund, warum man sie schwieriger in der Natur findet, weil sie zahlenmäßig niedriger vorhanden ist, aber sie ist sehr, sehr robust und wenn sie quasi auf das richtige Substrat, die richtige Umgebung kommt mit Zucker, dann kann sie durchziehen und verdrängen alle anderen. So ähnlich wie jetzt bei Früchten. Früchten, die irgendwie verderben, vergären, da ist es ähnlich, da sind oft erst andere Mikroben zunächst da und dann kommt die Saccharomyces cerevisiae und produziert dann auch diesen alkoholischen Geruch, wohlriechend, fruchtartig, alkoholisch, auch Fruchtester und zieht dann wieder Insekten, Vektoren, Säugetiere und so weiter an, die dann auch die Hefen wieder verbreiten, im besten Falle dann auch mit den Kernen oder Samen der Pflanze und dann ist das oft eine sehr schöne Symbiose, dass Pflanzen die Hefen beheimaten, dass sie mit den Hefen wieder an einem anderen Ort neu eingepflanzt werden über die Verbreitung von Vektoren und dieser Kreislauf geht dann immer von Neuen an und die Hefen helfen dann quasi auch, den Pflanzen sich zu verbreiten, weil sie Vektoren und über diese Gerüche und Stoffwechselprodukte, die hier freigesetzt werden, wir Menschen und auch andere Tiere sind da sehr sensitiv drauf. Die Saccharomyces cerevisiae, die ist auch sehr besonders, das kann man sich so vorstellen wie, sag mal, das ist eine Art, die Weinhefen, die Brothefen, die Bäckerhefen, dann in anderen Fermentationen, in sehr ursprünglichen Kulturen, verschiedenste Getränke und auch in Sojasauce und so weiter ist die Saccharomyces cerevisiae verbreitet und hat ihre Nischen in dieser Domestizierung erhalten, wenn Sie denken an die Menschen, wie vielfältig die menschliche Statur und auch die Spezifizierung bezüglich Berufsgruppen, auch Anpassungen und Kälte innerhalb der Spezies Homo sapiens erfolgt ist. Wir sind auch nur eine Spezies, so ähnlich kann man sich das bei Cerevisiae vorstellen oder wenn man an Hunde denkt, Hunde sind auch nur eine Spezies, aber durch Züchtung, Domestizierung, was es da für unterschiedliche Phänotypen, sagen wir, also Erscheinungsbilder gibt, so ähnlich ist es auch bei Cerevisiae. Der Mensch  hat diese Hefe in verschiedene Formen und Nischen gepresst, aber es gibt ja auch eben in der Natur originär in verschiedensten Nischen. Wir sind heute bei dieser Hefejagd jetzt nicht nur auf Cerevisiae, sondern auch die anderen Saccharomyces-Hefen, da gibt es noch acht andere, die schauen wir uns an, eignen sich die fürs Brauen, da gibt es welche, die sind eher auf Eichen beheimatet, manche eher auf Eschen. Kann man die mit Brauhefen mischen, kann man die vielleicht sogar kreuzen und dann gehen wir auch in diese Nicht-Saccharomyces-Hefen, die man vom Wein sehr gut kennt, die oft diese Bouquetstoffe am Anfang der Gärung geben und auch für dieses Terroir zuständig sind. Es ist sehr groß dieses Feld, man muss auch aufpassen, dass man sich nicht verzettelt zu mir jetzt auch, weil ich mich bei dieser Frage schon fast verzettle, aber im Prinzip ist es sehr einfach, Hefen finden, in Bierwürze geben, testen, ist es speziell und vielleicht dann noch weitermachen mit Mischungen oder Kreuzungen. Und das Schöne an unserer heutigen Zeit ist, wir können halt die Genome anschauen, wir können ganz genau vergleichen, ist es eine alte Linie, ist sie vielleicht schon domestiziert, ist sie komplett wild und da bin ich als Wissenschaftler gesegnet, in so einer Zeit zu sein, wo die Methoden schon so fortgeschritten sind.  

Paul Bevor wir gleich auf unsere Lagerhefen noch eingehen, in der Hobbybrauerwelt und auch in der Brauerwelt an sich, wir werden ja mittlerweile, du hast es ja jetzt auch schon angerissen, viele unterschiedliche Hefearten eingesetzt. Also wir hatten sie jetzt schon ein paar Mal erwähnt, die Brettanomyces, wir haben Nicht-Sacharomyces-Hefen für alkoholarme Biere, Diastaticus-Hefen, Kveikes  und so weiter. Was uns da jetzt interessieren würde, ist da schon was auf dem Tableau? Also gibt es Hefearten, die bereits bekannt sind und sich aufgrund ihres Einsatzspektrums und ihres Aromas oder wegen ihrem Aroma in Zukunft eine wichtige Rolle spielen könnten? Gibt es da schon was aus deiner Sicht, was da vielleicht bald in die Brauer- und Hobbybrauer-Szene eintrifft?  

Mathias Ja, also wir haben schon einige Stämme aus diesem Projekt Hefejagd auch in der Praxis im Einsatz, insbesondere für alkoholfreie und alkoholarme Biere, so Nicht-Saccharomyces-Hefen aus dem Bereich Pichia, Kluyveromyces, die auch aus anderen Lebensmittelfermentationen bekannt sind. Und die liefern bestimmte Aroma-Eigenschaften oder auch wie Lagerbier, eine Hefe haben wir, die liefert besondere Neutralität, oder sie sind besonders gut jetzt bei alkoholfreien Bieren, um Würzearomastoffe zu reduzieren. Da geht es oft nur darum, sie Würzearomen abzubauen, damit es eben nicht mehr würzeartig ist und ein gewisses Bierflavor zu geben. Wir haben dann auch eine Hefe für alkoholfreies Bier, die sehr ähnlich schmeckt wie eine Weizenbierhefe oder das alkoholfreie Bier wie ein Weizenbier schmecken lässt. Das ist die eine Schiene, was komplett Neues zu machen, über den Tellerrand hinweg zu denken. Das andere ist wirklich, Hefen mit sehr gutem Vergärungsgrad kriegt man sehr selten aus der Natur, weil die haben sich oft angepasst über diesen Domestizierungsprozess. Da ist es interessanter, robuste Hefen aus der Natur zu kriegen, Saccharomyces Cerevisiae mit bestimmten Eigenschaften, die vielleicht die domestizierten Hefen verloren haben und die dann vielleicht in Mischungen anzuwenden oder zu kreuzen. Ich muss ein bisschen ausholen, die Genetik in der Domestizierung ist quasi eine Genetik des Verlustes. Also wenn man irgendeinen Vorfahren hat und man drängt in bestimmte Nische die Hefen, die schmeißen dann oft die Sachen raus aus dem Genom, die man nicht mehr braucht, die quasi Energie kosten, aber nichts bringen. Andererseits werden manche Sachen, die man braucht, verdoppelt, verdreifacht im Genom. Aber im Prinzip, wenn nichts Neues zum Mischen hinzukommt, ein bisschen wie so ein Inzuchtprozess einer Linie, wenn nichts Neues hinzukommt, ist es eher eine Genetik des Verlustes. Also man spezifiziert sich auf was, man spezialisiert sich auf was, aber man gewinnt nichts Außergewöhnliches von außen hin zu. Und so ist es bei vielen unserer domestizierten Hefe, die sind in ihrem Bereich, in ihrem Bier perfekt, aber sie haben schon eine gewisse Genetik des Verlustes hinter sich. Und in die Richtung wollen wir auch wieder Wildtypen generieren, die sich gut fürs Brauen eignen, aber die bestimmte Eigenschaften wiederhaben. Ich sage mal ein Beispiel, die besonders gut mit neuen Malzsorten zurechtkommen oder besonders gut mit alten Malzsorten zurechtkommen oder jetzt mit neuen Hopfensorten bestimmte Aromen umbauen können, die vielleicht manche schon verloren haben. Aber es ist sehr spannend, aber man muss sagen, die Brauhefen, die jetzt existieren in diesen Nischen, das sind schon absolute Spezialisten und vor allem die Vergärungsgrade, also dass sie hochvergorene Biere liefern, das ist schon was Besonderes, dass es über diesen Domestizierungsprozess und über diese, sagen wir mal, Einkreuzung, unbewusste Einkreuzung durch Mischen von Hefen nach dem 16. Jahrhundert passiert.  

Lagerhefe: Eigenschaften und Genetische Gruppen 

Flo Ich kann mich nur wiederholen, super cool, ich könnte da stundenlang zuhören. Aber es hilft nichts, Mathias und Paul, wir müssen weitermachen und kommen, glaube ich, jetzt zu unserem eigentlichen Hauptthema, zur Lagerbierhefe. Hier und da haben wir schon was dazu gesagt, auch dass die moderne Lagerbierhefe, dass es sich dabei um ein Hybrid handelt. Das heißt, da gibt es unterschiedliche Elternteile dazu, die zu diesem Hybrid geführt haben und jedes Elternteil hat ja, wie es du auch gerade schön beschrieben hast, Mathias, wie sich die Eigenschaften über die Domestizierung ändern können. Ist das auch hier so, dass die Elternteile unterschiedliche Dinge mitgebracht haben? Und was uns interessieren würde, also welche Dinge haben die unterschiedlichen Elternteile mitgebracht und wie heißen die Eltern unseres modernen Hybrids und insgesamt, was macht die moderne Lagerbierhefe so speziell und trägt letztendlich zu der Besonderheit des Lagerbieres bei?  

Mathias Ja, also es freut mich, dass ihr euch schon so viel auch mitbeschäftigt habt, weil es ja wirklich so ein Spezialbereich ist jetzt in der Brautechnologie, diese untergärige Hefe. Die zwei Elternteile, das sind einerseits Saccharomyces cerevisiae, also diese Art, über die wir vorher schon so viel gesprochen haben und die die Menschheit schon so lange begleitet. Und die hat diese Eigenschaft eben dieser sehr guten Zuckerverwertung und der hochalkoholischen Gärung mitgebracht. Und der andere Elternteil, Saccharomyces eubayanus, der hat eben die Kaltgäreigenschaften mitgebracht, sodass die Hefen bei kalten Temperaturen arbeiten können. Und so Hybridisierungsvorgänge, die finden häufiger statt in der Natur, aber auch nicht so häufig, die sind eigentlich relativ selten. Also dass zwei Individuen, also in diesem Fall zwei Hefezellen oder zwei Askosporen von Hefezellen verschmelzen über eine Speziesgrenze hinweg. Also es ist jetzt nicht so, dass die innerhalb einer Spezies in Anführungsstrichen geheiratet haben, sondern so ähnlich wie jetzt bei Neandertalern und Homo sapiens, also dass ein Neandertaler und ein Homo sapiens ein Kind bekommen hat. Also so kann man sich das vorstellen. Die sind zwar schon irgendwie miteinander verwandt, aber es ist trotzdem noch eine andere Spezies, Saccharomyces eubayanus und Saccharomyces cerevisiae. Und das Besondere an dieser Spezies ist, an dieser Hybridspezie, dass sie diese Eigenschaften, kalte Eigenschaften und starke Gärung, starke Zuckerverwertung in einem Hybrid vereinigt hat. Was aber jetzt an diesem Hybrid besonders ist, dieser Hybrid ist eben nicht mehr fortpflanzungsfähig. Also wenn der jetzt Askosporen bildet, der ist quasi unfruchtbar. Der kann sich nicht mehr mit einer neuen Hefe vereinen oder mit einer anderen Hefelinie vereinen. Das heißt, der ist auf den Menschen angewiesen, dass der Mensch diesen Hybrid, wo wir jetzt vermuten, dass er im 16. Jahrhundert entstanden ist, immer weiterführt. Und der ist halt so gut und macht so gut das Bier, dass wir Menschen den gerne weiterführen. Das finde ich auch so spannend, dass da quasi eine andere Symbiose zwischen Vektor, wir sind ja Vektoren, und Mikroorganismus entstanden ist. Was sehr spannend ist, 2011 wurde erst beschrieben, welche Hefeart diese untergärigen Eigenschaften, also diese kälteliebenden Eigenschaften, eingebracht hat in diesem Hybrid. Also diese Sachomyces eubayanus, das wurde in Argentinien quasi beschrieben oder die Arbeitsgruppe aus Argentinien hat diesen eubayanus in Patagonien, also im kalten Umfeld, isoliert von sogenannten Nothofagusbäumen, also Scheinbuchen der südlichen Hemisphäre. Da gab es auch so Pilze, Cyttaria-Pilze, die da wachsen, die sehr viel Zucker haben und da wurde der entdeckt. Und warum ich das erzähle, das war auch ein Grund für unsere Hefejagd, weil wir haben gesagt, diese Hefe, diese Saccharomyces eubayanus muss auch hier in Europa vorhanden gewesen sein. Und wir haben schon tausende Proben genommen, aber ihn noch nicht in Zentraleuropa entdeckt, aber in Irland wurde er jetzt vor zwei Jahren entdeckt und beschrieben. Wir machen zum Beispiel dieses Jahr eine Expedition nach Nordspanien ins Baskenland, weil hier zum Teil sind ähnliche Gegebenheiten wie in Irland und auch Eichenwälder sind hier ähnlich und auch die klimatischen Bedingungen könnten so sein, dass sich da eubayanus gehalten hat. Mal schauen, ob wir diesmal erfolgreich sind. Auf jeden Fall wollen wir noch schauen, gibt es noch Inseln, wo vielleicht dieser eubayanus auch in der Natur hier Festlandeuropa zu finden ist. Ist natürlich auch schwierig mit dieser ganzen Industrialisierung, dass es kaum mehr natürliche Wälder gibt. Jetzt bin ich ein bisschen abgeschweift, aber ich glaube, es ist wichtig, auch diesen Hintergrund zu erfahren und auch diese Verbindung zur Hefejagd, dass dieser Hybridcharakter und warum das so passiert ist und warum wir herausgefunden haben, dass dieser Hybrid um 1600 im Hofbräuhaus München passiert sein müsste, wie wir da draufgekommen sind, dass eins zum anderen geht, wenn man nur die richtigen Fragen stellt. 

Paul Nee, du bist genau richtig. Ich habe geschweift. Das hätten wir auch gefragt. Alles gut.  

Flo Ja, ich fand es auch spannend als Beobachter. Ich habe auch das eine oder andere Brau-Hobbybrauer-Buch noch da, wo auch zu dem Erscheinungsdatum gültigen Zeitpunkt, also welcher Ursprung da gegolten hat. Patagonien hat es ja erwähnt. Da habe ich auf jeden Fall ein Buch, wo das als Ursprung deklariert ist. Ich glaube, in einem neueren Buch war es dann eine Zeit lang mal Tibet, war da ein heißer Kandidat, dass es über die Seitenstraße nach Europa gekommen ist. Von daher das ist super spannend und cool, dass man das jetzt auch mittlerweile in Irland finden konnte. Lasst uns aber vielleicht noch einen Schritt weitergehen. Das haben vielleicht noch nicht alle Zuhörer gehört. Man kann ja die Lager Bierhefe auch nochmal in unterschiedliche Gruppen einteilen. Das wurde von Lindner und Delbrück, Übergang 19. bis im 20. Jahrhundert geprägt. Und die Begriffe, die man da nachlesen kann, sind einmal die Saazer-Gruppe und einmal die Frohberg-Gruppe. Kannst du auch ein bisschen was dazu erzählen, Matthias, wie sich diese Gruppen unterscheiden, zum Beispiel in den Eigenschaften und warum auch die Begrifflichkeiten Saaz und Frohberg für die Gruppen gewählt wurden?  

Mathias Die Berliner Wissenschaftler waren auch sehr aktiv und haben natürlich aus verschiedensten Brauereien, die sie auch beraten haben, Proben genommen. Und unter anderem auch aus Saaz und Frohberg, also Frohberg ist so in der Nähe Leipzig und Saaz eben dieses Kernland auch der tschechischen Bierherstellung. Da wurden Hefen untersucht und dann haben die diese zwei Hefen so ein bisschen als Referenzhefen verwendet. Die Berliner hatten auch eine Methode wie Hansen entwickelt, um die zu vereinzeln. Das waren schon keine Mischungen mehr, sondern die haben dann auch mit der sogenannten Tröpfchenmethode nach Lindner diese Hefen vereinzelt und auch als Monokulturen untersucht. Und die haben das auch dann mitgeprägt, diesen Begriff Frohberg und Saaz mit F wie Frohberg für flott. Also diese Hefen, die sind ein bisschen stärker und schneller in der Gärung und können auch ein bisschen weiter vergären. Also vor allem die Maltotriose können die noch sehr gut verwerten. Und die Saazstämme, die waren eben S wie schwach oder im Englischen slow, die waren nicht so stark, aber sehr gut kältetolerant und konnten Maltotriose nicht so gut verwerten. Wahrscheinlich waren die früher, weil beide Hefen stammen aber von dem gleichen Vorfahren ab, wahrscheinlich auch in Mischungen unterwegs. Die haben sich nicht unabhängig voneinander entwickelt, sondern ausgehend von einem Vorfahren in bestimmte Nischen wieder spezialisiert und waren wahrscheinlich auch länger in Mischungen unterwegs. Aber dieser Ursprung, Saaz und Frohberg, ist quasi tatsächlich auf diese Brauereien und auch auf diese Regionen zurückzuführen. Und heutzutage in Deutschland hat man eben fast nur noch Frohbergtypen in Verwendung. Warum? Weil man eben bessere Ausbeuten hat, Biere werden stärker, werden auch trockener und in Tschechien werden noch Saaztypen auch verwendet. Da passt es dann auch zu den alten Gerstensorten. Und ich kann aber nur jetzt für Hobbybrauer auch die Empfehlung aussprechen, auch gerade alte Lagerbiertypen vielleicht auch wieder mit Saazhefen zu probieren. Es gibt auch spannende Biere, aber man muss eben ein bisschen Einschränkungen im Vergährungsgrad hinnehmen.  

Flo Und man muss, glaube ich, an die Hefen erst mal rankommen. Ich glaube, aktuell die Hefelabore, die an Hobbybrauer in den geringen Mengen abgeben, haben, glaube ich, auch ausnahmslos nur Frohbergstämme.  

Mathias Ja, es sind am Markt fast nur Frohbergstämme. Wenn jemand einen Saazstamm ausprobieren will, kann er sich auch gerne hier an unser Hefezentrum, im Forschungszentrum Weihenstephan für Bau- und Lebensmittelqualität der TU München, wenden. Wir haben Frohbergstämme, ähm, Saazstämme. Wir haben auch Saazstämme hier, aber von industriellen Brauern werden die eigentlich nicht geordert. Also ganz selten, dass Brauereien mal Versuche mitmachen. Wir hatten schon mal Versuche, die eben darauf abzielten, mit dem Hefen Biere zu machen, eben um das bewusst zu steuern und auch mehr Vollmundigkeit im Bier zu haben, wenn man Maltotriose noch drin hat im Bier und niedrigere Vergährungsgrade, auch wenn es gerade zu, sag mal, zum bestimmten Malzkörper vom Bier passen sollte. Also, wenn man spezielle Malze eingesetzt hat, kann das durchaus sehr gut passen. Aber so im großen Maßstab kenne ich keine Brauerei mehr, die jetzt Saaztypen hier verwendet in Deutschland.  

Flo Ja. Mittlerweile gibt es ja auch eine sogenannte dritte Gruppe. Da gibt es auch aus der Gruppe eine Hefe, die für Hobbybrauer zugänglich ist, von Lallemand, die Nova Lager, der man nachsagt, die auch bei höheren Gärtemperaturen ein neutrales Profil erzeugen kann. Wenn man jetzt auf die drei Gruppen mit der Genbrille blickt, du hast es ja schön umschrieben, was jetzt die Saazer und die Frohberg-Gruppe in den Eigenschaften unterscheidet. Wenn man jetzt die dritte Gruppe mit hinzunimmt, kann man das über die Genkombination oder anders einfacher formuliert, wie stark der jeweilige Elternteil vertreten ist, auch formulieren?  

Mathias Also, es ist so, diese Nova Lager, die wurde ja von der Firma Lallemand entwickelt. Und ich muss jetzt leider passen, weil ich habe  es nicht mehr genau im Kopf. Also, da wurden wirklich Hefen vom Menschen kombiniert. Also, ein eubayanus-Teil, ich glaube sogar mit zwei Cerevisie-Teilen, aber da will ich mich jetzt nicht festlegen. Ich war zwar bei so einer Vortragsreihe dabei, habe es aber jetzt nicht konkret parat. Aber die kann man genetisch unterscheiden von diesen natürlichen Hybriden. Und es ist einfach eine menschgemachte Neuentwicklung mit einem bestimmten Ziel, eben mehr Ausbeute oder, sagen wir mal, bei höheren Temperaturen auch neutrale Biere herstellen zu können. So ähnlich wie, ich glaube Flo, du hast es vorher erwähnt, auch wie manche Kveik-Hefen, die sehr neutrale Biere machen können. Wenn man da die richtigen Eltern selektiert, also ich weiß jetzt zum Beispiel nicht, welche Cerevisie-Eltern hier selektiert wurden von Lallemand, kann man das steuern. Wie dann der Hybrid. Der Hybrid bringt meistens, wenn man es richtig anstellt, die positiven Eigenschaften von beiden Elternteilen zutage. Aber da tut mir leid, das war vor zwei, drei Jahren, da war ich in dem Thema drin, habe das jetzt aber ein bisschen aus den Augen verloren. Muss auch sagen, auch aus persönlicher Präferenz, weil ich bin halt ein Fan von Stämme selektieren und auch mit Askosporen, die sind natürlich, wenn die dann matchen von der Natur aus und die passen dann zusammen. Ist aber einfach eine persönliche Präferenz.  

Paul Ich kann da vielleicht ganz kurz einhaken. Ich war vor zwei Wochen, glaube ich, in Münster und hatte ein Rezeptentwicklungsseminar gehalten und da haben wir auch als Experiment gehabt. Da hat ein Hobbybrauer übernommen, der hat mit der Nova Lager ein Bier gemacht. Einmal bei 12 Grad, einmal bei 18 Grad vergoren und es war wirklich erstaunlich, wie neutral oder wie ähnlich die beiden Biere waren. Ich fand das total abgefahren und habe jetzt direkt auch meinen letzten Sud mit der Nova Lager angestellt und habe mir so einen Italien-Style Pilsner versucht damit und das auch ein bisschen wärmer jetzt vergoren. Ich bin gespannt, was da rauskommt. Also sehr, sehr spannend, was da so los ist. 

Flo Und den Vortrag, den der Matthias gerade erwähnt hat, wo er auch gesprochen hat, den verlinken wir euch natürlich in den Shownotes [3]. Da wird auch nochmal auf die Genkombination der drei Lagergruppen eingegangen. Da könnt ihr euch das nochmal anschauen. Geht fast zwei Stunden und ist fast so spannend wie die Folge heute und ergänzt das, glaube ich, ganz gut für euch.  

Mathias Also was ja auch interessant ist jetzt, was Paul auch erwähnt hat, heutzutage ist halt wirklich bekannt, welche Stoffwechselwege man dann vielleicht nicht haben sollte, um neutrales Bier zu bekommen. Und dann kann man das auch gezielt so, wenn man so eine Hefe züchtet, herstellt, kreuzt oder gentechnisch modifiziert herstellt, berücksichtigen. Früher hatte man diese Werkzeuge ja nicht und dann ist es so, bei niedrigen Temperaturen wird weniger Stoffwechselprodukt hergestellt. Also da wurde das quasi bei der untergärigen Bierhefe über die Temperatur gemacht, diesen neutralen Charakter des Bieres zu erzeugen. Eine andere Möglichkeit ist zum Beispiel Druck. Also es gibt da sogenannte Druckgärverfahren. Da wird auch mit 18 Grad mit untergäriger Hefe gearbeitet und viel Druck draufgegeben. Dann setzen die Hefen auch weniger Gärungsnebenprodukte frei und es ist 

neutraler. Aber es ist sehr spannend, dass die Tendenz der Konsumenten will ein neutrales Bier, das er eigentlich damals über Trial & Error hergestellt hatte. Und dieses neutrale Bier ist am besten bekömmlich, aber heutzutage versucht man es dann wieder mit Klimawandel, Energieeinsparung, Kälte kostet Geld. Schon mit biologischen Mitteln herzustellen, aber benutzt dann zum Teil Gentechnik oder Kreuzungsmethoden, um da wieder hinzukommen. Also das finde ich sehr, sehr spannend. 

Hefejagd 

Paul Dann kommen wir jetzt mal zur Hefejagd. Also ich finde dieses Wort ist schon irgendwie gut gewordet. Ich bin da immer schon total gespannt, wenn es darum geht. Vielleicht mal ein paar Zahlen, Matthias, am Anfang. Wie viele Hefearten gibt es denn nach dem aktuellen Wissensstand und wie viele gibt es vielleicht auch noch für die Brauwelt jetzt eben im Speziellen zu entdecken oder fürs Brauen nutzbar zu machen? 

Mathias Also aktuell sind circa 1800 Hefearten beschrieben. Also wirklich so taxonomisch, biologisch beschrieben. Eine Art ist wie Sacromyces cerevisiae oder Sacromyces eubayanus, Torulaspora delbrueckii oder die Brücke. Das sind diese Artnamen. Der erste Name ist immer die Gattung und dann das andere ist die Art oder Spezies. Also cerevisiae ist Art oder Spezies. Hochrechnungen zufolge von einer belgischen Forschergruppe, die gehen davon aus, dass es wahrscheinlich 690.000 Hefearten gibt. Da wird quasi mit einbezogen, dass man manche Hefen schlecht oder nicht anziehen kann. Also auf sogenannten Kulturmedien oder Ackermedien, Ackerplatten. Und dass manche auch bestimmte Nischen, die vielleicht jetzt der Mensch oder die Wissenschaftler noch nicht betrachtet haben, besiedeln. Also wenn man jetzt an Sahara, Antarktis, Meerestiefen, Tropen und so weiter denkt. Also einfach bestimmte Nischen. Das sind so die Zahlen. Und jetzt so auf die praktische Hefejagd zurückzukommen. Wir haben so circa 200 Arten bis jetzt getestet. Und wenn man die in Bierwürze gibt, 95% produzieren gute Aromen. Wir verkosten dann natürlich nur die, von denen wir wissen, wo die Arten auch als sicher beschrieben sind. Aber durchschnittlich kann man sagen, Hefen sind, also im Vergleich jetzt zu anderen Mikroorganismen, wie Schimmelpilze, wo wirklich viele auch gefährlich sind und Mykotoxine bilden. Hefen sind sehr, sehr positiv zu betrachten. Die meisten, wenn man ein zuckerhaltiges Substrat gibt, produzieren sehr gute Aromen und auch sehr viele alkoholische, bierartige, weinartige Geschmacks- und Aromaprofile. Und wir haben natürlich auch so eine Pipeline entwickelt. Wenn wir Hefearten und dann auch Stämme, jetzt Stämme sind quasi noch eins drunter in dieser Ebene, wo wir sehr schnell testen können, sind die gut geeignet für den Brauprozess? Liefern sie gutes Bier? Liefern sie irgendwelche speziellen Aromen? Sind sie irgendwie in irgendeiner Art besonders? Sind sie vielleicht gut für alkoholfreie Biere geeignet oder eher für normale Biere? Und wir haben halt über die Zeit auch gelernt, welche Arten wirklich sehr, sehr gut sind, die wahrscheinlich auch historisch verknüpft sind mit bestimmten Kulturen und auch auf welchen  Pflanzen müssen wir suchen. Das war so die Leistung der letzten acht Jahre. Also seit acht Jahren trage ich kontinuierlich mehr Daten zusammen und diese biologischen Zusammenhänge und Kreisläufe, da erschließt sich immer mehr.  

Flo Wir haben es, glaube ich, indirekt schon an vielen Stellen anklingen lassen, aber gibt es eine Hauptmotivation für das Thema Hefejagd? Ist es vielleicht sogar das Thema gewesen, herauszufinden, wo der Lagerbier-Hybrid seinen Ursprung hat und wie das alles sich historisch entwickelt hat?  

Mathias Also absolut. Die Hauptmotivation war damals, als das bekannt wurde, dass dieser Vorfahre der untergärigen Bierhefe aus Patagonien stammen soll oder dann als die zweite Theorie veröffentlicht wurde oder Hypothese veröffentlicht wurde, dass er aus Tibet über die Seidenstraße nach Europa kam. Das haben wir immer schon kritisch betrachtet und haben gedacht, es muss hier in Europa was gegeben haben oder vielleicht eine näheren Eintrag oder vielleicht bestätigt sich auch das mit der Seidenstraße, aber dann müssen wir diesen Vorfahren auch irgendwo anders noch auf diesem Weg finden. Als wir in Georgien waren, da geht ja auch die Seidenstraße durch. Das war auch mit dem Grund, warum wir da hingegangen sind, neben der speziellen Bierkultur in dem Land. Und zudem natürlich, da wir wissen, dass die untergärige Brauweise hier aus Nordbayern, quasi aus der Oberpfalz und aus Franken, aus diesen Felsenkellern stammt und wir da auch suchen konnten. Und wir wollten eben diesen Ringschluss schaffen und haben dann immer parallel eben sehr viel historisch recherchiert. Also auch mein Freund und Kollege, der Martin, und dann auch eben biologisch und Proben nehmen, identifizieren, viel Laborarbeit und dann auch mit Fokus eben auch auf europäische Kulturen. Was sind die heiligen Bäume? Was sind die heiligen Pflanzen? Welche Hölzer wurden im Brauprozess verwendet? Wie haben die Hefner gearbeitet? Also da sind wir immer noch weiter dran. Und natürlich aber auch in diesem Netzwerk mit den anderen hervorragenden Wissenschaftlern. Also zurzeit ist der Huan Saviere hier bei uns am Institut als Postdoc. Der stammt von der Gruppe von Diego Liebkind [4] in der Gruppe 2011, die Saccharomyces eubayanus beschrieben wurde. Und wir arbeiten alle zusammen an einem gemeinsamen Ziel. Und das ist recht simpel. Wir wollen die Wahrheit herausfinden. Wo ist quasi vielleicht noch eine Urpopulation von Eubayanus in Europa? In Irland haben wir sie schon gefunden. Es gab einen Klimawandel in Europa. Dann so nach 1840, 50 ist es wieder wärmer geworden. Wir denken zusammen mit diesem Klimawandel und auch dem Abholzen und der intensiven Nutzung unserer Natur hier in Europa ist vielleicht der Eubayanus hier aus der Natur verschwunden. Und das Ganze, das wollen wir eben klären. Wir wollen vielleicht dann auch später noch in tiefere Bodenschichten gehen. Aber jetzt schauen wir uns erstmal dann im Baskenland mal in sieben Tagen dort in verschiedene Nationalparks und auch so Apfelwein und Weinplantagen an möglichst Sachen, auch die natursortnah sind. Und das war der Hauptgrund. Und natürlich diese alten Bierkeller, manche, die dann auch verschlossen sind und lang nicht mehr genutzt waren. Da haben wir auch schon sehr schöne Sachen gefunden, auch Hefen, die jetzt im Einsatz sind. Wir haben zum Beispiel eine Hefe für alkoholfreies Bier aus dem Kulmbacher Keller, das im Einsatz ist. Das sind dann so nette Nebenprodukte. Aber die treibende Kraft war der Ursprung der Bierhefen. Wir haben jetzt auch den Ursprung quasi des Elternteils, des Saccharomyces Cerevisiae-Elternteils betrachten wir weiter. Das ist eine Weizenbierhefe. Wir sequenzieren gerade fünf, sechs alte Linien von Weizenbierhefen. Leider hat diese Weizenbierherstellung böhmischer Brauerart, die findet nicht mehr statt. Die ist in Böhmen ausgestorben. Aber eigentlich das bayerische Weizenbier, das stammt aus dieser Region. Und wir haben noch alte Stämme hier und sequenzieren gerade und versuchen auch diesen anderen Elternteil immer besser zu verfolgen und vielleicht noch tiefer zu gehen. Und ja, das ist unsere treibende Kraft. Und natürlich das 

andere, das große Thema Biodiversität. Wir haben hier das Hefezentrum. Wir wollen die Sachen  auch für die Nachwelt erstens charakterisieren und dann auch konservieren. Und wir frieren die hier bei minus 80 Grad ein. Das ist sehr viel Arbeit, die auch immer wieder zu pflegen, aufzutauen, wieder einzuimpfen. Und wir wollen diese Biodiversität auch hier erhalten und noch mehr dazulernen.  

Paul Super spannend. Jetzt hast du schon ein bisschen erzählt, was im Nachgang passiert, wenn ihr so eine Hefe findet. Aber vielleicht mal auch für die Zuhörer da draußen, wie sieht so eine Hefejagd aus? Also welche Gerätschaften kommen da zum Einsatz? Wie bewaffnet ihr euch und geht dann los? Und in welcher Form können die Hefen überleben? Da sind wir auch schon ein bisschen drauf eingegangen. Und was passiert dann, wenn ich eine gefunden habe? Was mache ich dann mit der genau?  

Mathias Also wir haben verschiedenste Werkzeuge. Das sind zum Teil einfach ganz normale Löffel, die man abflammen kann oder Spatel oder Schabe-Werkzeuge wie einfache Messer oder Skalpelle. Und wir gehen eigentlich so vor, wenn wir jetzt im natürlichen Umfeld unterwegs sind, in der Natur, man hat bestimmte Bäume oder Früchte oder Erde als Fokus. Erde ist deswegen so wichtig. Erde ist wie so ein Sammelreservoir an Mikroben. Wenn Früchte, Rinde, Holz, Gras, wenn das quasi degradiert und zerfällt und durch Mikroben umgesetzt wird und es wird zu Erde, hat man dort diese ganzen Mikroorganismen von den verschiedenen Pflanzen wie in einer Sammelprobe. Und wir finden oft die gleichen Hefen an der Borke von einem Baum, an den Blättern, zum Teil auch an den Früchten oder Fruchtstünden und auch in der Erde, in einem Habitat. Und das Einfachste ist einfach eine sterile Tüte. Wir haben so sterile Tüten, die kann man zum Beispiel über ein Blatt oder über eine Frucht oder über, wenn jetzt ein Teil Rinde absteht, Stülpen, kann das abbrechen, kann das dann einrollen und verschließen. Was wir gelernt haben, dass oft die alten Bäume, das sind die großen Meister, also wenn die jetzt nicht komplett mit Flechten überwachsen sind, da nehmen wir jetzt nicht die Proben, wo die Flechten oder Moose sind, sondern eher die sauberen Rindenteile. Aber die alten Bäume, die beherbergen sehr oft höhere Quantität an Hefen, die haben auch rauere Rinde und da schneiden wir dann ein kleines Stück der Rinde ab, aber auch so, dass wir den Baum nicht verletzen, dass wir nicht hier in diese Saftschichten gehen. Das findet man dann eher außen. Und Früchte kann man auch in so Tüten mitnehmen. Spannender wird es dann natürlich im Bierkeller. Da kann es sein, wenn man sehr viel Glück hat, dass verschlossene Flaschen da sind oder wenn man jetzt irgendwie Bierbottiche hat oder alte Fässer, dann schaben wir da auch was ab mit unseren Werkzeugen und löffeln dann diese Sedimente auch in diese sterilen Tüten. Und dann geht es entweder ganz schnell ins Labor in so Kühlbuchsen. Da muss man aufpassen, dass es nicht gefrieren soll, sondern es soll einfach kühl sein, am besten so zwischen 2 und 4 Grad. Und dann geben wir eben Kulturmedien zu, zum Beispiel Bierwürze oder YPG, bestimmte universelle Hefenährmedien, wo man eben Hefen zum Wachsen bringen kann. Oft geben wir dann auch noch Antibiotika hinzu, damit eben keine Bakterien hochwachsen, wobei in bestimmten Fragestellungen versuchen wir auch die Bakterien zu kultivieren. Man macht das Ganze anaerob oder man gibt noch Stoffe hinzu gegen Schimmelpilze. Und wenn man Glück hat, wachsen eben Hefen und dann macht man einfach diese Ausstriche, wie es schon Hansen und Lindner mit seiner Tröpfchenmethode gemacht hat, also mit dem Ziel, die Hefen zu vereinzeln. Und dann haben wir eben die einzelnen Hefen und die können wir dann wieder gezielt testen. So ist dieser Kreislauf. Und es ist auch noch eine große Fragestellung, wie alt können Mikroben werden? Also die älteste Bierflasche, von der wir Mikroben haben oder Bierhefen haben, die ist so circa 100 Jahre alt. Und dann haben wir noch eine, die ist so 80 Jahre alt. Also da wissen wir das. Bei allen anderen Proben, die nicht verschlossen sind, ist es sehr schwierig, weil es kann ja auch eine Verunreinigung, eine Kontamination von außen sein. Wir haben zum Beispiel eine super Hefe für alkoholfreie Bier von einer tausendjährigen Eiche. Die haben wir sowohl im Boden als auch auf der Borke gefunden. Aber wir wissen nicht, wie alt ist diese Hefe tatsächlich? Wann hat die diesen Baum und dieses Umfeld besiedelt? Ist es wirklich so alt wie der Baum oder ist es irgendwann zu einer bestimmten Periode hinzugekommen? Deswegen sind so Proben für uns besonders wertvoll, die eben einen definierten Zeitpunkt quasi vorgeben. Ich nenne mal ein Beispiel. Wir sind jetzt in Kontakt mit Wissenschaftlern aus Bozen und in Südtirol. Da wurden kurz vor 1900 die Bierkeller versiegelt, eben wegen einem politischen Wechsel. Und da gibt es noch relativ viele Bierkeller, die seitdem nicht mehr geöffnet wurden. Das heißt, alles, was man da drin findet, wenn jetzt geschlossene Behälter da sind oder auch Brauintensilien, die wurden wahrscheinlich nicht mehr benutzt. Dann hat man eine sehr große Wahrscheinlichkeit, dass diese Mikroben auch aus dieser Zeit stammen. Am besten ist natürlich immer eine  geschlossene Flasche, wenn man an Schiffshacks denkt oder an irgendwelche Ausgrabungen. Nur Flaschen sind eben auch noch nicht so alt. Wenn man jetzt an Amphoren denkt, das sind natürlich hervorragende Probenmaterialien und am besten verschlossen. Und man kann immer eine bestimmte Zeitepoche zuordnen. Ich hoffe, ich konnte ein bisschen Eindruck vermitteln.  

Paul Ja, absolut. 

Mathias Wenn ihr noch in irgendeiner Richtung näher was wissen würdet, gerne. Da gibt es natürlich auch hunderte von Praxisbeispielen. 

Paul Ich glaube auch. Wir hören ja einfach nur ganz gespannt zu. 

Flo Ja, ich habe mir das gerade so vorgestellt, dass, wenn jemand aus Hollywood zuhört, wo sind wir, Indiana Jones 5 oder 6, könnte man auch eine Hefejagd-Episode einschieben. Könnte man bestimmt was Spannendes machen. Also so klingt das zumindest für mich. Ich finde es super cool, aus der Hobbybrauer-Brille, biergeschichtsinteressiert, den Sachen so wissenschaftlich zusammen mit der Historie auf den Grund zu gehen. Finde ich mega. Also richtig cool. Wir wussten schon, warum wir dich einladen und es macht sehr in der Folge Spaß und wir hören wahrscheinlich nochmal. 

Mathias Also was uns halt auch noch besonders interessiert, das wollte ich vielleicht noch nachschieben, das sind halt auch bestimmte Bierbraukulturen. Ihr habt ja vorher schon litauisches Farmhouse-Ale erwähnt. Wir haben in Georgien auch so eine Bierbraukultur im Kaukasus kennengelernt, die da auch mindestens 300 Jahre zurückreicht. Wenn diese Generation, jetzt die sich noch die Arbeit macht, dann ausstirbt, dann ist oft diese ganze Kultur weg. Auch diese Hefekulturen und vielleicht auch deren spezielle Rohstoffe, wie die die noch hergestellt haben oder gemischt haben. Und das ist natürlich auch so in diesem Bereich, Sachen konservieren, Sachen schützen und bewahren. Und da ist mein Kollege, der Martin, eben auch ganz tief drin, auch diese Prozesse festzuhalten, also auch aus soziokultureller Hinsicht, diese Sachen festzuhalten, dass die für die Nachwelt nicht verloren gehen. Ich bin dann halt dafür da, diese Hefen da aufzubewahren oder Bakterien, was auch immer dann drin war. Und das ergänzt sich eben perfekt. Aber wenn ihr da auch mal was habt, also ihr seht ja jetzt in der Hobbybrauer-Szene, topfvernetzt, irgendeiner braut schon seit 100 Jahren auf dem gleichen Bauernhof Bier, habt da seine eigene Hopfenkultur. Das sind eben auch oft diese Schätze, auf denen man oft ganz spezielle Mikroben und Hefen findet. 

Flo Man soll ja niemals nie sagen, vielleicht hört jemand zu, der sich gerade angesprochen fühlt, dann meldet euch. Vielleicht gibt es da einen verborgenen Schatz, wer weiß.  

Ursprung der Hybridisierung 

Flo Ich würde sagen, kommen wir zurück zu unserer Lagerbierhefe. Wir haben an unterschiedlichen Stellen schon einige Dinge erwähnt. Wir sind auf die unterschiedlichen Gruppen eingegangen. Wir haben schon gesagt, dass die moderne Lagerbierhefe ein Hybrid ist. Wir haben gesagt, dass das Hybridisierungsevent nach aktuellem Wissenstand vermutlich in Süddeutschland im Hofbräuhaus in München war. Die Frage, die sich da anschließt, wie kann man das herausfinden, Matthias? Welche Puzzlestücke muss man da zusammenfügen, um solche Rückschlüsse ziehen zu können, um zu rekonstruieren, wann so ein Hybridisierungsevent stattfinden konnte? Und noch aufbauend, wie kann man rekonstruieren, dass Saazer und Frohbergs Stämme, die unterschiedliche Eigenschaften mitbringen, vermutlich aus dem gleichen Hybridisierungsevent hervorgegangen sind?  

Mathias Das sind sehr gute Fragen, die auch sehr ins Detail gehen. Ich hoffe, ich kann es so runterbrechen und auch in der Kürze darstellen. Notfalls treffen wir uns einfach nochmal. Und auch gerne nochmal fragen. Es ist so, wenn man zurückgeht und sowas rekonstruiert, dann braucht man immer eine sogenannte genetische Uhr, die man auch kalibrieren muss mit bestimmten Ereignissen. Und diese Ereignisse müssen bekannt sein und wann haben sich bestimmte Linien getrennt an Hefen oder man hat so Fixpunkte in der Zeit. Und meistens sind diese Fixpunkte oft nicht so weit in der Vergangenheit, jetzt bei so Reinkulturen. Und daher ist diese Kalkulation jetzt bei den Hefen, wann dieser Hybridisierungsevent war, relativ breit. Also diese Kalkulation, die geht so circa von 1500 bis 1800. In diesem Zeitraum muss diese Hybridisierung erfolgt sein. Und da rechnet man quasi, wie viele Mutationen pro bestimmter Zeiteinheit erfolgt. Und dann braucht  man noch so bestimmte Marker in der Zeit. Die Hefewissenschaftler suchen auch noch immer nach mehr Markern, um diesen Zeitstrahl und diese Kalkulation noch besser zu machen. Also wenn wir jetzt irgendwie Schiffsrack-Biere von 1600 haben und hätten da eine Hefe und man könnte das noch, dann könnte es sein, dass diese Zeiträume noch genauer werden. Also das ist noch ein fortwährender Prozess. Aber wir haben zumindest mit den aktuellen Methoden diesen Zeitrahmen, sagen wir circa 1500 bis 1800, da muss diese Hybridisierung erfolgt sein. Und diese Kalkulationen hat man anhand der Cerevisiae-Zelllinie gemacht, also anhand dieses Cerevisiae-Elternteils. Und dann sind wir, der Martin und ich, eben in diese ganze Historie gegangen und haben nachverfolgt, wann ist das untergährige Brauen, wann ist das losgegangen, was gab es da für Events, die quasi dieses unterjährige Brauen geprägt haben und wann wurde auch dokumentiert, wann haben sich die Biere geändert. Da läuft eben alles dann auf diesen Knotenpunkt um 1600 zu. Um 1600 war wegen dem Reinheitsgebot Bayern komplett unterjährig. Also dieses bayerische Reinheitsgebot ist quasi das Bierrezept für unterjähriges Bier. Um Weizenbier durften eben nur Brauereien machen, die eine Sondergenehmigung hatten, eine spezielle Erlaubnis. Und da gab es eben diese  Weizenbierbrauerei in Schwarzach, deren Linie dann ausgestorben ist. Und dann hat sich das der Herzog von Bayern wieder zu eigen gemacht und dann wurde eben in München im Zeitraum von circa zehn Jahren an einer Stätte Untergährige und Obergährige, also Weizenbier und Lagerbier, zur gleichen Zeit unter einem Dach in sehr großen Quantitäten gemacht. Und danach war dieses Lagerbier auch stärker. Und zur gleichen Zeit kam auch noch ein Braumeister aus Einbeck in diese besondere Braustätte. Also es kam ein Braumeister aus Schwarzach mit diesem Weizenbierrezept und der Weizenbierhefe nach München. Und kurze Zeit später auch noch ein Herr Pichler aus Einbeck und brachte das Rezept für Einbeckerbier, das für seine besondere Stärke bekannt war, und auch die Hefe mit. Und unsere Theorie oder unsere Hypothese, die stärkste ist bis jetzt, dass diese Hefe aus Schwarzach oder die Einbeckerhefe, wobei die Schwarzacher wahrscheinlicher ist, der Cerevisiae, also Saccharomyce-Cerevisiae-Elternteil ist. Und anhand dieser Linie, anhand der Saccharomyce-Cerevisiae -Linie, haben wir diese Hypothese aufgestellt. Und dann muss es um 1600 gewesen sein. Und da sind eben an einem Ort sehr viele verschiedene Hefen in Mischungen vorgelegen in diesem Hofbräuhaus. Oder was heißt in Mischung, aber Brauer haben auch experimentiert und haben auch das Zeug mal gemischt. Und da denken wir, da ist dann dieser Hybrid entstanden. Also einerseits genetischer Rahmen, andererseits historische Fakten. Und daraus ist unsere Hypothese entstanden. Und es wird spannend, ob quasi in Zukunft, wenn noch mehr Kalibrierdaten sind, noch mehr Weizenbiervorfahren. Also wir wissen, es ist ein Weizenbiervorfahren, der Saccharomyces-Cerevisiae -Teil. Wenn wir da noch  mehr genetische Daten haben, die wir zusammenfügen können, vielleicht wird dieses Fenster immer schmaler und kann sich noch weiter verdichten. Das wäre natürlich unsere Hoffnung, wobei wir immer die Wahrheit im Fokus haben. Das Zweite, die Frage mit Saaz und Frohberg-Gruppe. Das hat eine Arbeitsgruppe aus den Niederlanden eben herausgefunden. Die haben genetisch diese zwei Zelllinien charakterisiert und haben anhand Berechnungen, genetischen Vergleichen herausgefunden, dass die beiden einen Ursprung haben müssen und dass es keine zwei Hybridisierungsevents gab, sondern dass ein Hybridisierungursprung hier vorlag. Das würde aber allerdings jetzt zu weit ins Detail gehen, hier noch weiter einzuschreiben.  

Flo Das passt.  

Mathias Wir brauchen ganz spezielle Methoden. 

Paul Alles gut.  

Mathias Da können wir eine eigene Vorlesung drüber machen.  

Paul Ganz sicher kommen wir da bestimmt auch noch mal auf dich zurück bei einzelnen Themen. Aber dann soll es für den Block Hybridisierung erstmal reichen.  

Moderne Lagerhefen: W34/70 

Paul Was wir uns jetzt auf jeden Fall noch angucken, kurz bevor wir noch einen kleinen Ausblick mit Matthias zusammengeben, ist die wohl bekannteste Lagerbierhefe, die W3470. Kannst du uns kurz erläutern, wie es zu diesem Erfolg kam und wo diese Hefe ihren Ursprung hat? 

Mathias Also diese TUM 3470, die Nummern, die rühren eben daher, dass nach dem Krieg als hier dann Hefen gesammelt wurden an der TU München, die einfach nummeriert wurden. 1, 2, 3, 4, 5, 6 und so weiter. Und das war quasi die 34. Hefe. Und dann dieses Schrägstrich 70, das stammt daher, dass sie 1970 wieder aus der Staatsbrauerei Weihenstephan isoliert wurde. Also die ist dort gelaufen, die Hefe. Und 1970 wurde die wieder entnommen und es wurde wieder eine Reinzucht angelegt. Da gibt es zum Beispiel auch noch die 3478. Da wurde diese Hefe, diese 3470 in Gärversuchen, noch mal adaptiert an größere Gärtanks. Also die wurde verstaubt. Aber das ist eine andere Geschichte. Und ursprünglich kommt diese Hefe aus der Hasenbrauerei bei Augsburg. Aber die wurde nicht dort isoliert, sondern ich habe Professor Narziß in seiner Doktorarbeit isoliert, nämlich auch aus der Tucherbrauerei. Und die ist auch in anderen Brauereien zu dieser Zeit noch gelaufen. Und es ist sehr gut, in der Doktorarbeit von Professor Ludwig Narziß nachzulesen. Und er war quasi hier an der TU München der Erste nach dem Krieg, der dann systematisch untergärige Hefe auf ein optimales Gärbild und ein optimales Aromaprofil für untergärige Biere untersucht hat. Und das Ergebnis seiner Doktorarbeit war quasi, dass diese 3470 die besten Ergebnisse liefert. Und dann war das der Grundstein für ihren weltweiten Siegeszug, wenn man es so ausdrücken will. Weil das wahrscheinlich oder sehr sicher die weltweit am häufigsten eingesetzte untergärige Hefe, Frohberghefe ist. Viele andere Hefen, die vielleicht an den Brauereien gelaufen sind, stammen auch von dieser 3470 ab. Das ist ein altbewährtes Muster, dass man eine Hefe, die gut geht, in seinen eigenen Betrieb gibt, die dort laufen lässt und dann nochmal neu hinterlegt. Die Hefe passt sich dann auch an diese Gegebenheiten an. So wurde das oft auch hier von ehemaligen Weihenstephaner TU München Wissenschaftlern, Brauwissenschaftlern praktiziert.  

Ausblick auf die Diversität der Lagerhefen 

Flo Jetzt haben wir viel über die Geschichte, über die Vergangenheit geredet. So zum Ende der Folge machen wir das Ganze jetzt noch mit einem Blick in die Zukunft. Und da auch die Frage an dich, Matthias, aus der untergärigen Welt gibt es da Trends für die Zukunft, die du dir erhoffst, vielleicht auch aufgrund deiner Forschungsarbeiten, dass das ein oder andere wieder mehr eingesetzt wird, auch in der untergärigen Welt, um da auch für mehr Diversität zu sorgen?  

Mathias Absolut. Ein sehr schöner Trend ist quasi, wir haben ungefähr 100 untergärige Lagerhefen. Diese untergärigen Hefen, die stammen quasi alle von diesem einen Hybridisierungsevent ab, zumindest fast alle. Und die haben sich in bestimmte Nischen adaptiert, angepasst. Und das Schöne ist, wir haben quasi die historischen Ursprünge dieser Hefen. Und das ist ein sehr schöner Trend, dass bei uns Brauereien nachfragen und sagen, hey, habt ihr hier an der TU München nicht eine Hefe aus unserer Region, vielleicht auch aus unserer Stadt, auch aus einer Brauerei, die vielleicht verschwunden ist, und können wir die mal wieder nutzen und quasi ein regionales Bier machen, ein regionales historisches Bier oder ein regionales Saisonbier. Weil nichts ist einfacher, als quasi einen regionalen Charakter zu schaffen, als mit Hefe. Weil jetzt ein Hopfen oder eine Gerste direkt vor der Haustür hat halt nicht jede Stadt oder jede Region. Oder dann ist das auch oft gemischt. Das ist ein sehr schöner Trend. Also ich habe als Beispiel hier die Museumsbrauerei in Kulmbach. Die hat schon sehr erfolgreich zwei regionale Hefen eingesetzt. Das Bier war sehr schnell ausverkauft. Und die haben schon die nächste Anfrage. Also sowas freut einen natürlich, wenn es dann auch noch erfolgreich ist. Dann die TUM 35. Das war die Lieblingshefe von Professor Narziß. Die konnten wir retten. Die war schon geglaubt verloren gegangen. Die konnten wir aber aus so einer gefriert, getrockneten Kultur retten. Die macht ein sehr, sehr neutrales Profil. Das ist eine Hefe aus Coburg ursprünglich. Und die haben wir zum Beispiel jetzt, als wir die Publikation gemacht haben, die sind vier Brauereien in Amerika, auch in sehr großen, sehr erfolgreich im Einsatz. Da würde ich mir auch wünschen, dass dann manche deutsche Brauer vielleicht auch ein bisschen experimentiert. Freudiger wären jetzt auch abseits vom Hobbymarkt. Dann habe ich ein Projekt begonnen. Wir haben 50 unserer historischsten Lagerhefen mit bestimmten Markern genetisch untersucht. Und es scheinen doch so circa zehn Stämme dabei zu sein, die genetisch anders sind. Und die untersuchen wir jetzt genauer. Da folgen Gesamtgenomsequenzierung. Vielleicht ist sogar ein neuer Hybrid drin. Wir haben auch wahrscheinlich einen Saccharomyces uvarum eubayanus hybrid mit dabei. Wir haben wahrscheinlich auch eine Signatur von einer anderen Cerevisie-Linie mit dabei. Also es ist höchst spannend. Und da sitzen wir ja auch auf einem großen Schatz. Aber es kann auch sein, dass in dem Lagerbereich vielleicht noch die ein oder andere neue, aber historische Hefe dazukommt, die genetisch doch anders ist. Eins ist klar, dass die alle bei kalten Temperaturen genutzt wurden. Das ist sehr spannend. Und dann international. Auf diesem Zug bin ich jetzt persönlich nicht so. Da werden halt einfach Hybride im Labor erzeugt. Also Eubayanus-Cerevisiae-Hybride über Protoplastenfusion. Oder dann geht es auch in CRISPR-Cas-Sachen, also Gentechnikansätze. Hat alles seine Berechtigung mit bestimmten Zielen. Aber da ist jetzt unsere Forschergruppe nicht so tief drin. Aber es existieren schon Lagerhybride, die auch in der Praxis im Einsatz sind, die einfach im Labor erzeugt wurden. 

Flo Klingt super spannend. Ich glaube, da können wir uns nur darauf freuen, was da alles noch so zum Vorschein kommt. Und hoffentlich schafft das eine oder andere auch so weit, dass wir Hobbybrauer das einsetzen können. Da sind wir natürlich auch immer sehr daran interessiert. Schauen wir einfach mal. Kommen wir, denke ich, zum letzten Punkt der heutigen Folge. 

Das Bier des Monats. 

Flo Zu unserem Bier des Monats. Das machen wir immer, Mathias, zum Abschluss unserer Hauptfolgen, dass der Paul und ich berichten, was unser bieriges Highlight des vergangenen Monats war. Wenn du eins hast, kannst du natürlich sehr gerne ergänzen. Ich bin so frei, ich mache einfach mal den Anfang. Letztes Wochenende in Bamberg. Grüße raus an die Deutsche Bierakademie, wo ich so ein bisschen als Dozent immer bei den  Biersommelierausbildungen unterstützen darf, bei Markus Raupach. Da war das Abschlusswochenende. Da ist immer das Schöne, dass die ganzen Absolventen da auch Biere mitbringen. Und da war auch ein tolles dabei, von einer niederländischen Brauerei, Dutch Bargain, mit sage und schreibe 60 IBU, 150 EBC, aber noch viel spannender, 18 Prozent Alkohol, ein fast rumfassgelagertes Imperial Porter [6]. Und das richtig Spannende war, dass der Schaum grün war, weil da die sogenannte asiatische Vanille zum Einsatz kam. Pandan, also wie der Panda mit einem N hintendran, gilt so auch als bisschen als grünes Superfood, als so ein Vanillearoma, ein Nussaroma, war in dem Porter  wirklich so flüssige Hanuta und dann noch mit diesen 18 Prozent gefährlich trinkbar. Natürlich hat da jeder nur einen kleinen Schluck bekommen, aber also super spannendes Bier, super spannende Zutat, die eben im Aroma und auch mit der grünen Farbe im Schaum so was Besonderes ins Bier rein bringt. Sind wir natürlich weit vom Reinheitsgebot entfernt, aber schön gebraut und ich glaube auch in dem Alkoholsegment, da war es fehlerfrei hinzubekommen, ist auch nicht die leichteste Übung. Das war eine richtig coole Nummer.  

Paul Hört sich ziemlich spannend an. Ich würde dann gleich anschließen. Meins ist ein bisschen traditioneller, würde ich es jetzt mal nennen, ein bisschen auch passend zu der Erfolge. Ich möchte an der Stelle nämlich ganz gern mal die Möglichkeit nutzen, eine kleine Brauerei aus Hamburg zu erwähnen, Bill Brew. Und mein Bier des Monats von denen ist das Hamburger Prater [7], ein Wiener Lager, natürlich dann der Wiener Prater in Anlehnung als Vergnügungspark da in Wien. Und ich hatte das zufälligerweise, oder was heißt zufälligerweise, aber es war in der Abenteuerbox von Störtebecker mit dabei in dem Live-Tasting und das hat mir richtig gut gefallen. Und das war so ein richtig schönes, cleanes Wiener Lager, schönes Malzprofil, bittere, perfekt ausbalanciert. Das ging richtig gut rein. An der Stelle Braumeister und Rezeptschreiber ist da auch unser Lagerbernd, wer ihn kennt als Hopload vielleicht, also ein Hobbybrauer, der auch viel bei Instagram und Social Media unterwegs ist, sehr, sehr viele Lagerbiere braut, sehr kritisch mit sich selbst ist und deswegen finde ich auch sehr, sehr gute Lagerbiere braut mittlerweile. Und ja, also das war wirklich kernig, malzig, so ein bisschen Brot drin, der ganz leichte Karamellanklänge, aber alles nicht zu viel und dann eben schön so ein blumig, kräuterige Hopfennote dazu vom Saazer, entspannte 28 IBU. Das war wirklich ganz, ganz große Klasse, dieses Bier mit einer hohen Drinkability, großes Kino, mein Bier des Monats. Und jetzt, Matthias, hast du vielleicht auch noch eins? 

Mathias Ich habe jetzt kein Bier des Monats, aber ich hätte vielleicht, passend zum Thema, so ein bisschen was zum bestimmten Bier, auch zum Nachlesen. Ich habe mit der Brauerei freibier.cc in Regensburg anlässlich meiner Habilitation damals, haben wir so ein historisches Bier nachgebraut, auch mit Martin zusammen und das heißt Cella 1672 [8]. Warum ich das jetzt erwähne, das wurde eben auch mit einer Hefe, die wir hier an der TU München im Forschungszentrum Weihenstephan unter dem Namen Zeller auch verkaufen tatsächlich, haben wir mit der Hefe gemacht und das Rezept stammt eben aus dem Jahr 1672. Das ist ein untergäriges Bier, aber nicht mit der normalen Pastorianus-Hefe gemacht, Saccharomyces Pastorianus, diesen Hybrid, die wir alle kennen, sondern mit einem Uvarum Eubayanus Saccharomyces Hybrid, also es ist ein spezieller Hybrid, der wahrscheinlich auch da zu der Zeit entstanden ist. Also das ist eine andere untergärige Hefe und passt hervorragend zu so leichten untergärigen dunklen Bieren, so wie die wahrscheinlich um die Zeit 1672 waren. Und wir haben dazu auch im Weihenstephaner, im VEW, in der Zeitschrift einen Artikel dazu geschrieben und auch auf der Homepage von freibier.cc ist das Rezept nachzuschlagen, also es kann man nachbrauen und es ist ein bisschen gewürzartig, 

das macht die Hefe, also ähnlich wie bei Weizenbieraromen, ist auch ein bisschen Gewürzenergie mit drin, aber ansonsten malzaromatisch von den Malzen, die wir auch eingesetzt haben und auch durch diese Brauweise, also da wurde mit 100 Grad eingebraut, schlechter Vergärungsgrad, wie gesagt, ein leichtes Bier. Es gibt es leider nicht mehr zu kaufen, ich habe zwar noch ein paar Flaschen bei mir im Keller aufgehoben, aber so als Anregung, gerade für Hobbybrauer kann man das vielleicht mal nachbrauen, weil hier ist quasi alles veröffentlicht. So könnte so ein Bier um 1670 geschmeckt haben und die Hefe kann man quasi auch bei uns beziehen und also eure Biere, die Beschreibung, die hat mir sehr gut gefallen. Ich werde gleich mal recherchieren, was die gibt.  

Flo Perfekt, auch nochmal danke für die Beschreibung, Matthias. Ich glaube, das ist der perfekte Schluss für die heutige Folge, weil es hat nach einem richtig, richtig interessanten, historischen, untergärigen Bier geklungen. Gefällt mir richtig gut. Die Links,  die du genannt hast, werden wir auf jeden Fall euch in die Shownotes packen, dann kann sich jeder da mal mit beschäftigen und der ein oder andere, wenn er es wagt und es nachbraut, könnte er uns auch gerne was schicken. Dann berichten wir hier im Podcast darüber und probieren das sehr gerne und beschreiben, wie ihr das hinbekommen habt. An dieser Stelle, Matthias, herzlichen Dank für die letzten circa zwei Stunden. War richtig, richtig spannend. Ich glaube, du hast uns sehr viele nützliche Antworten geliefert. Du hast unsere ganzen Community viele Dinge erklärt. Wir sind da ein bisschen tiefer eingetaucht für den ein oder anderen. Ich glaube, da gab es viele neue Sachen zu entdecken. Superspannend. Ich würde es mir am liebsten, wenn es fertig geschnitten wäre, gleich nochmal anhören von Anfang an. 

Paul Darfst du, Flo. 

Flo Ich freue mich. Vielen Dank und vielleicht, wer weiß, was die Zukunft bringt, laden wir dich auch nochmal gerne zu einem anderen Thema nochmal zu uns in den Podcast ein. 

Mathias Vielen Dank auch, Flo und Paul. Vielleicht schafft das ja auch mal hier auf dem Bier dann auch in unsere Pilotbrauerei, im Forschungszentrum, Weihenstephan oder auf ein Bier ins Bräustuhl rüber. 

Paul Klingt gut. 

Mathias Vielen Dank, dass ich hier mitwirken konnte. Hat echt Spaß gemacht. Weiterhin viel Erfolg mit eurem tollen Projekt und eurem tollen Podcast. 

Paul Vielen Dank. Macht’s gut, Leute. 

Flo Vielen, vielen Dank. Macht’s gut. Cheers. 

Mathias Servus. 

Quellen: 

[1] https://thewalrus.ca/theyre-small-theyre-spore-y-theyre-yeast-and-they-will-change-our-world/ 

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Zosimos 

[3] Webinar: A Deep Dive Into Lager – Traditional beer style and modern yeast perspectives 

[4] Microbe domestication and the identification of the wild genetic stock of lager-brewing yeast 

[5] A new hypothesis for the origin of the lager yeast Saccharomyces pastorianus  

[6] Dutch Bargain – Not for the Pussy – Imperial Porter 

[7] https://www.abendblatt.de/hamburg/bergedorf/article240795906/Hamburger-Prater-Das-erste-Bier-von-Bill-Brew-ist-fertig.html 

[8] https://freibier.cc/blog/2021/11/cella-1672.html 

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