Folge 1.01 – Pils

   

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„In Deutschland ist es allerdings so, dass wir eine Vielfalt schon aus den Brauereien selbst haben. Diese Biere kommen bloß nicht alle in den Markt, weil sie mit den Regalgebühren in den Supermärkten und all diesen Dingen nicht zurechtkommen. Ich ärgere mich jedes Mal, wenn ich im Supermarkt nach einem Pils aus München suche. Da gibt es nämlich sehr schöne Pilze. Sie finden sie aber nicht.“

Ludwig Narziß – FAZ Interview vom 14.04.2016
  1. Wie konnte das Pils Entstehen?
    1. Spionage-Tour
    2. Grolls Meisterstück
  2. Globalisierung im Glas
  3. Ausprägungen des Pilseners
    1. Böhmisches Pils
    2. Deutsches Pils
    3. American Style Pilsener
    4. New Zealand Style Pilsener
    5. Italian Style Pilsener
    6. West Coast Style Pilsener
    7. Brett-Pils

Wie konnte das Pils Entstehen?

Steigen wir ein und um die ganze Pilsener Geschichte und die Entwicklung, den Erfolg etc., den das Bier hinter sich hat und heute noch hat, besser verstehen zu können, haben wir gedacht, drehen wir das Zeitrad mal ordentlich zurück und zwar um genau zu sein ins Jahr 1635 und begeben uns ins Königreich England, weil in diesem Jahr hat ein gewisser Sir Nicholas Halse aus Cornwell ein Patent bekommen auf eine sogenannte indirekte Darre. Und mit der war es dann erstmalig möglich, Malz, Hopfen und auch andere Nahrungsmittel zu darren/zu trocknen, ohne dass die während des Darr-Prozesses mit Rauch direkt in Kontakt kommen und folglich dadurch auch keinen Rauchgeschmack aufweisen. Das heißt diesen aufs Malz übertragen.

Rauchfreies Malz für Bier hätte es theoretisch schon sehr früh geben können. Aber es hat tatsächlich aufgrund unterschiedlichster Themen lange gedauert, bis sich das erst mal in England durchgesetzt hat. Die ersten Belege für englisches Pale Malt gibt es von 1703. Aber das war zu der Zeit weiß Gott noch keine Massenware. Es war aufgrund der neuen Technologie eher teurer, als die anderen Malzsorten, die eingesetzt wurden. Und deswegen hat es einfach noch mal weitere Zeit gedauert.

Erst insgesamt 150 Jahre nach Erfindung dieser indirekten Darre, hat sich diese Methode großflächig durchgesetzt. Und da waren letztendlich drei Punkte dafür verantwortlich, dass dann dieser Durchbruch kam. Das war einmal die Einführung vom Thermometer, die Einführung vom Saccharometer und die Erhöhung der Malzsteuer. Das heißt da hatten die Brauer dann das erste Mal das Interesse, Steuer geht hoch, ich muss ein bisschen auf meinen Malz-Einsatz schauen, weil mein Bier teurer wird. Und da haben sie eben rausgefunden, dass diese neuen Malze, hergestellt mit der indirekten Darre, die auch heller waren, einen höheren Extraktgehalt hatten, weil einfach dieser Darprozess schonender war, als die sogenannten diastatischen Braunmalze, die bis dahin in der englischen Brauwelt eingesetzt wurden. Und das eben Kombination, dadurch dass man dann erstmalig mit der Bierspindel, mit dem Sarerometer, den Extrakt auch messen konnte, den Brauprozess kontrollierter bewerten konnte oder führen konnte, war da erst mal das Bewusstsein da. Und deswegen hat es so lange gedauert, bis sich dieses Malz aus der indirekten Darre, hell und rauchfrei in der englischen Brauwelt durchgesetzt hat.

In Kontinentaleuropa/Festland Europa war es aber da noch lange nicht angekommen. Das hat dann noch mal ein bisschen länger gedauert. In der englischen Brauwelt, aufbauend auf die Themen, die ich gesagt habe oder mit den Themen Thermometer etc. kam noch die Dampfmaschine hinzu, ungefähr im gleichen Zeitraum. Und die haben zusammen bewirkt, dass eben sozusagen die industrielle Revolution in der englischen Brauwelt eingeläutet war und aufgrund dieser ganzen technologischen Errungenschaften die Brauereien einfach ganz anders in der Größe und im Ausstoß skalieren konnten, wie zuvor. Und wie schon gesagt, bis das eben auf dem europäischen Festland angekommen war, hat es einfach nochmal die Jahrhundertwende überdauert. Genau genommen 1808 gibt es die ersten Aufzeichnungen, dass die englische Darre in Bayern eingesetzt wurde. 1820 folgte dann die Dampfmaschine und der Thermometer vermutlich ungefähr im gleichen Zeitraum.

Mit dem Einsatz dieser neuen Technologien auf dem europäischen Festkontinent bringt man einen Namen in Verbindung und den werden wir noch bzgl. Nachname noch öfters hören. Das ist der Gabriel Sedlmayr, der Ältere von der Spaten Brauerei. Das war auch so ein bisschen ein Tüftler. Der hat vermutlich irgendwie durch gute Kontakte, die er hatte, von den Technologien stückweise mitbekommen und hat sich die kurzerhand teilweise einfach selbst konstruiert oder selbst konstruieren lassen.

Dadurch war da auf dem europäischen Festland allen anderen weit voraus. Aber wie ihr euch vorstellen könnt, die britische Brauwelt war zu dieser Zeit, also 18. Jahrhundert, auch 19. Jahrhundert, der restlichen Brauwelt um Jahrzehnte voraus, 50 Jahre voraus oder teilweise sogar je nach Zeitraum noch mehr. Und es hat letztendlich auch dazu geführt, dass die größten Brauereien der Welt in diesem Zeitraum mit Ausschlagmengen, die über eine Million Hektoliter pro Jahr gingen. Also wenn ich mir jetzt zum Beispiel die Brauerei Bass, ich denke das ist ein Name, die haben den Barley Wine erfunden, die sind für ihr Pale Ale, das Bass Pale Ale weltberühmt geworden. Die hatten 1877 1,6 Millionen Hektoliter, was richtig krass ist und auch andere Brauereien aus der damaligen Zeit wie Barclay Perkins oder Brick Lane, die noch früher dran waren als Bass, hatten auch Ausschlagmengen pro Jahr um die 5-600.000 Hektoliter, da konnten wir auf dem europäischen Festland noch lange nicht mithalten. Das hat sich halt rumgesprochen. Oder sie haben halt die Auswirkungen gespürt und das hat letztendlich auch dann zu dieser legendären Studienreise aka Spionagetour nach England geführt.

Spionage-Tour

Wo dann eben wieder einer der Sedelmayrs, in dem Fall der Jüngere, also der Sohn von dem Inhaber der damaligen Spaten Brauerei und ein gewisser Anton Dreher, die sind nach England aufgebrochen. Dort haben sie über 20 Brauereien besucht, unter anderem eben auch die schon erwähnten Bass und auch andere, also die großen Player der damaligen Zeit. Dort haben sie mit Empfehlungen, weil die Sedelmayrs eben auch gut vernetzt waren, versucht, da möglichst viel Know-how abzuschöpfen. Ich meine, wenn man sich in die Lage der Jungs versetzt… Der Jungs, sag ich schon, die waren damals halt, sag ich mal, in den Zwanzigern als sie da in England waren. Ich meine, die haben auch das ein oder andere Mittel angewendet, was man vielleicht im höheren Alter jetzt nicht einsetzen würde. Sie hatten eine Art Stehl-System, also Wanderstöcke, die mit Blech verkleidet waren, mit einem Schließventil oder Fußventil am Ende des Stockes, wo man dann eben geschickt vielleicht auch mal unbemerkt eine Probe ziehen konnte, wo es die englischen Brauer nicht mitbekommen haben. Aber auch letztendlich alles, was sie da gesehen haben, hat natürlich bleibenden Eindruck hinterlassen und hat dazu geführt, dass sie aufbauend zu den Technologien, die Gabriel Sedlmayer, der Ältere, wie schon erwähnt, eh schon selbst konstruiert hatte, noch jede Menge Know-How mitgebracht haben.

Mit dieser neuen indirekten Darre waren sie nach der Rückkehr vermutlich dann in der Lage, einfach höhere Malzqualitäten herzustellen. Und ganz entscheidend: Das Saccharometer haben sie mitgebracht und damit konnte man dann auch erstmalig auf dem europäischen Kontinent Stammwürze messen und damit letztendlich auch für eine gewisse Kontinuität im Brauprozess sorgen, zusammen mit dem neu aufgekommenen Thermometer.

Und letztendlich muss man sagen, diese Spionageaktion hat in gewisser Weise die sogenannte Lagerbierrevolution eingeleitet und ich würde sagen, das ist die beste Brücke, die man vorgeben kann.
Genau. Ich komme jetzt mal zu eigentlichen Pilsener Geschichte. Also das ist jetzt natürlich ein super…

Grolls Meisterstück

Grundsätzlich: Wer hat’s erfunden? Ich nehme da jetzt einfach mal was vorweg. Natürlich ein Bayer, der Josef Groll aus Vilshofen in Niederbayern. Und der Groll, der machte seinem Nachnamen alle Ehre. Sein Vater soll wohl mal über ihn gesagt haben, er sei der widerlichste Bayer in Bayern. Er war aber ein sehr guter Brauer und auch ein innovativer Brauer. Und auch er hat mitbekommen, was da so rüber schwappte durch diese Tour von Dreher und von Sedlmayr.

Durch diese Industriespionage, -wollen wir es mal so nennen-, wurden Erkenntnisse erlangt, durch die das bayerische Bier und auch das, was so um Wien gebraut wurde, als bald als eines der besten auf dem Kontinent galt. Aber wie kommen die jetzt alle miteinander zusammen? Das Problem war, im Böhmischen Pilsen lag das Brauwesen tatsächlich sehr im Argen. 1838 war es dann so weit, dass das Bier mal wieder sauer und untrinkbar war, dass die Obrigkeit dann, ich glaube es waren 36 Fässer, aber auf jeden Fall einige Fässer, davon vor dem Rathaus in die Gosse kippen lies. Ein Symbol, was schon einiges aussagt. Und man beschloss dann auch, also die Säulen der Stadt beschlossen dann, wir brauchen ein neues Brauhaus, wir brauchen ein modernes Brauhaus, wir müssen uns irgendwie Gedanken machen, wie wir ein richtig gutes Bier brauen können.

Der Martin Stelzer, seinesseits Architekt, der auch einiges in und um Pilsen geplant und gebaut und ausgeführt hatte, wurde damit beauftragt oder für die Bürgerbrauerei beauftragt, sich zu kümmern und einfach mal zu schauen, okay, wo kriege ich in Europa das Wissen her. Und er machte sich Gedanken. Denn die Stadt wollte dieses Lager, was sich in Bayern so durchgesetzt hat.

So machte er sich auf die Reise, vor allen Dingen nach Wien. Anton Dreher, damals war es glaube ich noch die Dreher Brauerei. Mittlerweile ist es die Schwecharter Brauerei aus Wien und die wurde besucht. Und natürlich auch die Spaten Brauere in München. Man schloss Bekanntschaft, man tauschte sich auch aus. Und die Erkenntnisse schwappten dann rüber. Wie kann man vielleicht so ein neues, modernes Brauhaus umsetzen?

Mit diesen Plänen im Gepäck ist er quasi wieder zurückgekommen. Aber was er natürlich auch noch diese deutsche, diese bayerische Braukunst in Pilsen. Und so kam es, dass man Joseph Groll anwarb und nach Pilsen brachte. Es war dann so, dass relativ schnell klar war, okay, er kommt hier in so ein schönes, modernes Brauhaus. Alles vom Feinsten.

Die Malze sind indirekt gedarrt bzw. das Malz ist einfach heller. Man kann helleres Bier herstellen. Gleichzeitig hat er den total aromatisch und sehr wie ich finde eleganten Hopfen, den Saazer Hopfen, der auch aus der Region stammt, zur Verfügung. Er hat und das ist eben auch nicht zu vernachlässigen, das sehr sehr weiche Brauwasser aus Pilsen zur Verfügung und hat damit, -das war so ein One-Shot Sud-, also direkt beim ersten Versuch ein Volltreffer gelandet und hat am 05.10.1842 das erste Pils gebraut. Und dann wurde es im November des gleichen Jahres ausgeschenkt, auch wieder relativ offen vor allen auf dem Marktplatz, um den Bürgern zu zeigen, wir haben uns gekümmert, wir haben jetzt einen richtig guten Braumeister, wir haben ein tolles Brauhaus, wir haben ein schönes Bier gebraut. Aber die Leute guckten natürlich nicht schlecht.

Globalisierung im Glas

Der Flo kommt gleich noch dazu, aber damals gab es dann schon die ersten Gläser, also durchsichtige Krüge oder wie auch immer man es nennen will. Aber auf jeden Fall konnte man die Bierfarbe sehen. Und dieses Gold und dieses relativ klare Bier mit so einem richtig schönen weißen Schaum, das kannte man bis dahin eben nicht. Also war man erst mal relativ skeptisch. Aber als die ersten Gläschen dann geleert wurden, war man sich sicher, dass das ein richtig geiles Bier ist.

Das Glasthema oder die Einführung des Glases war wahrscheinlich zu der damaligen Zeit die beste Marketingstrategie für Bier, die man sich überlegen konnte. Oder dieser Nebeneffekt. Und das hat letztendlich zu dieser sogenannten Globalisierung im Glas geführt, dass dieses Grollsche Bier, das Pilsner, sich in ganz Europa zunächst verbreitet hat, wie wahrscheinlich kein Bier zuvor. Das hatte mehrere Gründe:

Es gab damals noch keinen Marken- und Herkunftsschutz. Das heißt, es hat sich halt rumgesprochen, die machen cooles Bier, das ist hell oder golden und schmeckt super und etc. Und im Prinzip konnte man dann auch an anderen Orten in Europa unter diesem neuen geheimen Name, wenn man das aus heutiger Brille betrachtet, konnte man das eben nachbrauen und seine Version des Pilsener Bieres machen. Das heißt, es stand im Prinzip nicht mehr die Stadt im Vordergrund, sondern es war einfach relativ schnell ein Markenname, der dafür gesorgt hat, dass man ein Bier hat, das sich gut verkauft.

Es gab auch natürlich auf der wirtschaftlichen Seite zu der Zeit viele Veränderungen, die dazu geführt haben, dass dieses Bier so einen Erfolg hatte. Dazu gehört sicherlich, dass sich zu der Zeit in Europa viele Hausbrauereien zu Großbetrieben umgewandelt haben, aufgrund der Industrialisierung, aufgrund Einsatz der Dampfmaschine etc. alles, was wir gesagt haben. Das hat eben zu der Zeit kurz nachdem der Joseph Groll das Bier in Pilsen gebraut hat stattgefunden. Es sind auch die ersten neun Großbrauereien gegründet worden, from scratch quasi, ausgerichtet auf großen Absatz als Aktiengesellschaften. Das heißt, es hat einfach zu der Zeit auch die eigentliche Brauindustrie, insbesondere in Deutschland angefangen. Das heißt, es waren viel größere Ausstöße möglich als vorher. Und es hat eben zusammen auch mit der Kältemaschine insbesondere in den 1870er Jahren dazu geführt, dass man ganzjährig brauen konnte, dass man halt eben auch das ganze Jahr Leute beschäftigen konnte und das ganze Jahr auch untergärige Biere brauen konnte. Dann auch auf dem Transportwege, das erwähnte Glas von Paul ist nicht nur auf die GlasKrüge zurückzuführen, sondern auch natürlich auf Bierflaschen. Die wurden in den Zeiten das erste Mal industriell hergestellt, in größeren Mengen. Der Plopperschluss wurde auch in der Zeit erfunden und das hat zusammen mit dem Fortschreiten des Eisenbahnnetzes in ganz Europa dazu geführt, dass man das Flaschenbier relativ einfach, im Gegensatz zu früher, an die entlegensten Orte des Kontinents transportieren konnte. Und all das hat diese Globalisierung im Glas des Pilsner Bieres befeuert.

Zu guter Letzt muss man auch sagen, diese ganzen Migrationsbewegungen in diesem Zeitraum, das muss man sich mal überlegen aus der heutigen Sicht. Zwischen 1820 und 1913 haben 52 Millionen Menschen aus verschiedensten Gründen Europa verlassen. Allein 32 Millionen davon in die USA und in der zweiten Hälfte vom 19. Jahrhundert war die Mehrzahl dieser Flüchtlinge in andere Länder waren Deutsche. Und die haben natürlich ihre Braukunst, ihre Pilsner Biere in die unterschiedlichsten Orte der Welt mitgenommen. Parallel dazu gab es in der Zeit auch bis zum Anfang vom Ersten Weltkrieg viele deutsche Kolonien, auch zum Beispiel in China. Tsingtau ist da ein Schlagwort, also auch da kam das goldene Lagerbier an. Und dies hat alles in Kombination mit weiteren technischen Errungenschaften, Filtermethoden, Louis Pasteur hat diese ganze Mikroorganismus oder die ganze Mikrobiologie mitten in die Brauerei gebracht, Die Hefe-Reinzucht von Emil Christian Hansen in der Karlsberg Brauerei und noch weitere solche Themen haben in Kombination dazu geführt, dass das Pilsner Bier Ende des 19. Jahrhunderts ein globales Produkt war und zwar das erste, das global überall verfügbar war und auch in einer nie dagewesenen Kontinuität von Zu zu Sud in einer gleichbleibenden Qualität. Das unterm Strich ist vermutlich dafür verantwortlich, dass es auch heute noch und die Ableger davon den größten Anteil in der Bierlandschaft ausmachen. Man muss echt sagen, da sind so viele Sachen zusammengekommen.

Man könnte jetzt sagen, Zufall, aber zufällig vielleicht, dass es das Pils genau getroffen hat. Auf jeden Fall sehr, sehr krasse Geschichte. Dass das alles so miteinander zusammenhängt und funktioniert hat und eben zu dieser Erfolgsstory geführt hat. Ich glaube nicht, dass der Groll sich damals dessen bewusst war. Der wollte, glaube ich, einfach nur ein gutes Bier machen, so wie es sein Auftrag war. Da vielleicht noch so eine kleine Randnotiz. Der hat nur drei Jahre in Pilsen brauen dürfen. Den hat man dann vom Hof gejagt. Er war nämlich ein Choleriker. Wie gesagt, seinen Nachnamen hat er alle Ehre gemacht und der durfte dann wieder gehen.

Aber bis 1900 wurden dort weiterhin nur bayerische Braumeister bzw. Brauer angestellt. Und das spricht ja auch dafür, wie sehr man eben diesem Brauwesen aus Deutschland, aus Bayern vertraut hat. Wem dieses Thema noch mehr interessiert, dem können wir zwei Bücher zu der Thematik, die das relativ umfassend und gut beschreiben und setzten legen, sind leider beide auf Englisch. Eins heißt Pilsener, How the Beer of Kings Changed the World.
Und das zweite Brandfrisch 2023, das heißt Globalization in a Glass, The Rise of Pilsener Beer through Technology, Taste and Empire. Werden wir auch alles entsprechend in den Show Notes verlinken. Spannende Bücher, dieses Thema natürlich noch mal weitaus tiefgreifender behandeln, wie wir das jetzt in ein paar Minuten machen konnten.

Und abschließend möchte ich noch was sagen, bei der ganzen Recherche hab ich mich schon gefragt, nachdem ich gehört hab, gerade der Anton Dreher, lange Zeit, die Absatzstärkste Brauerei in Kontinentaleuropa hatte mit seinem Wiener Lager, was ja ein Jahr vor dem Pilsner Bier seine Geburtsstunde hatte, was im Prinzip ähnliche, fortschrittliche Methoden angewendet hat. Warum letztendlich dieses Wiener Lager ja letztendlich sogar komplett vom Radar verschwunden ist, also für einen langen Zeitraum hat es ja überhaupt gar keine Rolle mehr in der Bierwelt gespielt, bis es wieder von der Craft Beer Bewegung entdeckt wurde, finde ich auch einen entspannten Sachverhalt.

Hast du eine Idee? Nee, ich weiß es tatsächlich auch nicht, aber das meint dich damit. Was für ein Zufall, dass es das Pils geworden ist. Klar, es musste ein helles Bier sein oder ein kupferfarbenes Bier, weil das einfach der neueste Schrei war. Und das eben mittlerweile möglich war. Also im deutschen Bereich oder im europäischen Bereich, im Festland. Das war klar, dass es so was wird. Aber dass es eben das Pils wird, warum das so durch die Decke ging. Hätte sich das Wiener Lager vielleicht auch irgendwie durchsetzen können. Dann würden alle Wiener Lager trinken. Wäre total witzig. Ich meine, lokal war das ja lange Zeit ein Riesenerfolg.
Auch die Spatenbrauerei hat ja dann helles Bier hergestellt. Die Geschichte des Hellen spielt ja da auch mit rein. Und es ist aber eben das Pilsner geworden. Und das ist echt spannend. Und was haben wir noch auf Lager?

Ausprägungen des Pilseners

Böhmisches Pils

Ja, jetzt haben wir viel über die Geschichte gesprochen, aber jetzt wollen wir vielleicht auf die eine oder andere Ausprägung des Pilsners ein bisschen mehr eingehen. Und ich würde mich mal dem böhmischen Pilsner kurz und knapp widmen. Und zwar würde ich einfach mal mit der Farbe starten, denn wer heutzutage vielleicht auch mal in Tschechien so ein Bierchen trinkt und vielleicht auch das ganz klassische Pilsner Urquell kennt und trinkt, der weiß, das hat nicht unbedingt diese Strohgelbe Farbe, die unsere Pils hier in Deutschland haben, sondern das ist eher golden. Eventuell von einer oder anderen Brauerei hat es vielleicht sogar so einen ganz leichten Kupferstich mit drin. Das ist gar nicht mal auf die Schüttung unbedingt zurückzuführen. Überwiegend ist das ein Pilsener Malz, aber es wird eben gern in Dekorationsverfahren gebraut, also im Zubrüh-Verfahren.

Und dieses Zubrüh-Verfahren bringt auch eine gewisse Zufärbung mit sich. Der eine oder andere, der es schon mal ausprobiert hat oder gerne mit Dekoktion braut für solche Klassiker, der kennt das. Münchner Dunkel zum Beispiel ist auch so ein Stil, wo das eben eigentlich gemacht werden sollte. Das führt aber nicht nur zu einer Zufärbung, sondern führt auch zu diesem authentischen Geschmack eiens böhmischen Pilsners. Es hat so ein intensiveres Malzaroma. Es ist ein bisschen kerniger und ein Tick brotiger, also es ist einfach intensiver und etwas vollmundiger. Gleichzeitig könnte man dann natürlich auch sagen, okay, ich habe ein bisschen mehr Körper, also kann auch ein bisschen mehr Hopfenaroma rein. Und man liegt bei einem im Schnitt bei einem Böhmischen Pilsener eher so bei 35 IBU, bei einem klassischen Deutschen ein bisschen niedriger.

Wenn man das klassisch braut, kann man den Saazer Hopfen nutzen, der einfach ein ganz, ganz tolles Aroma erzeugt und eben auch sehr, sehr präsent ist. Was man auch sagen muss, ich habe jetzt gesagt, es ist ein bisschen vollmundiger. Das ist natürlich nicht nur auf das Maischen an sich zurückzuführen, sondern eben auch auf die Restsüße an sich und da auch auf die Hefe beziehungsweise auf die Gärung. Das heißt, wir haben ein bisschen mehr Restextrakt und haben ein etwas mehr Körper im Bier.

Wenn ich jetzt das Thema Gärung anspreche: Was man auch immer mit einem Böhmisch-Pilsner assoziiert, was aber nicht aber nicht grundsätzlich so ausgeprägt immer sein muss, ist die Diacetyl. Also ein dezent buttriges Aroma und dieses Aroma, das hebt eben auch so ein bisschen die Vollmundigkeit hervor und führt dann alles in allem zu so einem schönen Böhmischen-Pilsner. Flo, wie sieht es mit dem Deutschen Pils aus?

Deutsches Pils

Ja, ich bin erstmal begeistert. Hast du sehr schön beschrieben. Also ich hätte jetzt Lust auf so ein böhmisches Pilzner. Ich auch.
Aber genau, wie verhält sich das deutsche Pilsner im Vergleich dazu? Also beim Deutschen muss man ja so ein bisschen unterscheiden zwischen Pilsner aus dem süddeutschen Raum und ein norddeutsches Pilsner. Aber allgemein kann man sagen, dass es im Vergleich zum tschechischen einen schlankeren Körper hat, etwas heller in der Farbe ist, trockener ist durch den höheren Vergärungsgrad und allgemein wie ich es kenne etwas spritziger karbonisiert ist. Und natürlich auch Hopfenblume, du hast jetzt den Saazer erwähnt, klassisch für ein böhmisches Pilsener. Bei den deutschen Pilsener vertraut man natürlich eher auf die deutschen Hopfensorten.

Wenn ich sowas braue, mache ich das teilweise sogar eigentlich fast nur mit Aromasorten, dass ich einfach mehr Hopfen einsetzen kann und mehr Aroma bekomme, was jetzt vielleicht ein Fernsehpils nicht unbedingt mitbringt, aber die sollen ja auch bei uns im Podcast nicht unbedingt im Vordergrund stehen. Aber rein durch die Hopfensorten, durch die deutschen Nobelhopfensorten, bekommt man natürlich auch nochmal darüber eine etwas andere Aromatik rein, wie bei einem tschechischen Pils.

Aber unterm Strich Hopfen, Blumen, Grasigkeit, Kräuternoten etc. würde ich sagen ähnlich. Aber insgesamt insbesondere beim norddeutschen Pils auch noch durch das etwas härtere Wasser als im Süden und auch im Vergleich zum tschechischen etwas knackiger und auch bitterer. Also da nicht auch nur auf die IBU Werte schauen. Das Wasser spielt auch eine große Rolle. Nicht nur bei diesem Bierstil, bei allen Bierstilen.

Ich glaube diesem schönen Thema werden wir auch noch eine Folge irgendwann spendieren. Ich glaube, die wichtigsten Unterschiede habe ich schon genannt. Klar, wir könnten jetzt noch ins Detail reinfliegen. Bezüglich Hefe, also die Vergärgerade haben wir ja angesprochen, die sind unterschiedlich. Die Diacetylenote haben wir angesprochen, also Gärführung beim Tschechischen. Also im Detail gibt es da schon Unterschiede, auch bei den Malzen gibt es Unterschiede, denn Pilsner Malz ist nicht gleich Pilsner Malz. Aber ich würde auch da sagen, das würde jetzt an der Stelle für die Folge zu weit führen. Auch hier werden wir im Verlauf der Staffel zum gegebenen Zeitpunkt noch ein bisschen tiefer eintauchen, wie man das ein oder andere erzielt, was dann dem entsprechenden Pilsner-Bierstil zugutekommt.

Wir haben aber ja auch nicht nur das klassische Deutsche, das klassische Böhmische, vielleicht amerikanische, sondern wir haben noch so ein paar mehr Bierstile, die in diesem Bereich sich ausgeprägt haben. Was haben wir denn noch so für vielleicht auch moderne Pilsener Bierstile, Flo?

American Style Pilsener

Ja, da ist über die Jahre echt was zusammengekommen. Das American Style Pilsener hast du ja gerade schon so ein bisschen anklingen lassen. Das ist nicht mehr ganz modern, aber wir erwähnen es einfach als Einstieg in die Interpretation trotzdem kurz. Wird ja auch in der BJCP mittlerweile als Historical Beer Pre-Prohibition Lager geführt. Also damit ist gemeint quasi ein American Adjunct Pilsner, also auch mit Mais und mit Reis in Kombination mit dem Six Row, wie man das auch von den Pauls geliebten Cream Ale etc. kennt, nur eben als Pilsner Version.

New Zealand Style Pilsener

Es gibt aber auch modernere Interpretationen. Da gibt es tatsächlich einige mittlerweile, hauptsächlich durch die unterschiedlichen Hopfen, Sorten, geprägt. Angefangen bei dem New Zealand Style Pilsner. Das ist mittlerweile auch in der BJCP ein Anwerberbierstil, also ist noch nicht komplett in die Guidelines integriert, aber es gibt einen Vorschlag. Den gibt es seit Mitte der 90er Jahre und wie es der Name schon vermuten lässt, stehen hier die ganzen besonderen New Zealand Hopps im Vordergrund. Aber es sind tatsächlich nicht nur die Hopfen, es gibt auch noch ein paar andere Detail-Tweaks, was das Ganze von einem tschechischen oder einem deutschen Pilz unterscheiden.

Italian Style Pilsener

Dann gibt es das Italien-Style-Pilsner, auch ebenfalls irgendwo Mitte der 90er Jahre in Erscheinung getreten. Eine ganz spannende Kreation, wie ich finde. Hier setzt man ausnahmsweise wie man es häufig bei modernen Interpretationen macht, nicht auf die neuesten Hopfen, die einem bezüglich Aroma ins Gesicht springen, sondern man nimmt einfach ein klassisch deutsches Pilsner und ergänzt das Ganze um eine Dry-Hopping-Gabe. Jetzt nicht in mega Mengen, da reden wir über so einen Gramm pro Liter, aber durchaus auch aufgeteilt: Ein bisschen was während der Gärung, nach der Gärung und eben nicht mit den modernsten Hopfensorten dieser Welt, sondern man macht das Ganze mit klassischen Noble Hops, hauptsächlich aus Deutschland. Ich denke, mit einem Saazer ist das auch zuträglich an der Stelle und funktioniert ganz gut. Ist aber auch auf jeden Fall ein Bierstil, der sich auf der Welt mittlerweile verbreitet hat. Ich weiß zum Beispiel, dass Firestone Walker mit dem Piwo-Pils letztendlich dem auch so ein bisschen zu internationalem Ansehen verholfen hat und nicht die eigentliche italienische Interpretation.

West Coast Style Pilsener

Und wahrscheinlich einer der modernsten Pilsener Bierinterpretation ist das West Coast Style Pilsener ist insbesondere 2022/2023 schon in vielen Podcasts und anderen Beiträgen ein Thema gewesen. Da versucht man letztendlich ein klassisches deutsches Pilsener mit einem West Coast IPA zu verschmelzen.

Ich meine West Coast IPA hat ja auch ähnliche Charakteristiken, ist auch eher trocken, hat natürlich eine andere Hopfenblume als ein Pils, aber genau das versucht man hier an der Stelle zu kombinieren. Also man könnte es auch West Coast Lagern nennen. Ich meine, am Ende des Tages kann man das alles nennen, wie man es möchte.

Brett-Pils

Und da komme ich auch letztendlich zu der letzten Interpretation. Habe ich selbst noch nicht getrunken, finde ich aber durchaus spannend. Gibt es von unterschiedlichen Brauereien auf dem Globus. Das ist ein Brett-Pilsener.
Also man nimmt ein relativ klassisches Pilsener und versetzt im Ganze eine Zweitgärung mit einem Brett-Stamm. Am Ende des Tages ist halt die Frage, erkennt man das als ein Pilsener? Kommt wahrscheinlich auch auf das Reifestadium an. Aber finde ich auf jeden Fall spannend und, glaub ich, werde ich mal ausprobieren.

Ich glaube, da haben wir uns ganz gut geschlagen. Wir freuen uns, dass ihr zugehört habt, hoffentlich bis hierhin. Und freuen uns auf die nächste Folge. Und nur, dass wir es nicht vergessen, checkt uns auf Instagram aus, folgt uns. Wir werden definitiv vor der nächsten Folge so ein paar Anreize geben, um was in der nächsten Folge gehen könnte. Und schreibt uns, sprecht auf die Voice Mail, macht das Ganze zu einem interaktiven Podcast. Wir würden euch als Community sehr gerne einbinden. Ich glaube, da haben wir alle was davon. Ich glaube, das ist so das letzte Puzzlestück, um das Ganze abzurunden. Von daher unterstützt uns. Hört rein. Prost! Macht’s gut, ciao!

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